Vorbemerkung und Literatur. Die heute
          noch herrschende Darstellung läßt auf die
          römische Geschichte die Geschichte der
          europäisch-germanischen Entwicklung
          unmittelbar folgen. Auch historische
          Spezialuntersuchungen bringen vielfach den Werdegang
          einzelner Institute und Einrichtungen nur bis nach
          Italien zur Darstellung. Woher stammt der Wechsel und
          sein Recht? — aus Italien. Woher kommt die
          kaufmännische Buchführung? — aus Italien.
          Auch das Bankwesen hat man bis vor Kurzem in Italien
          entstehen lassen.
          Der gewaltige Fortschritt der
          orientalischen Studien in unseren Tagen hat
          unsere Kenntnisse in diesen Dingen ganz wesentlich
          erweitert und vervollkommnet. Es kann heute nicht mehr
          bezweifelt werden, daß das richtige
          Verständnis unserer ganzen
          europäisch-mittelalterlichen Geschichte das
          Eindringen in die Geschichte des arabisch-islamischen
          Weltreiches und damit in die orientalische Geschichte
          überhaupt zur unerläßlichen Voraussetzung
          hat. Es ist eine recht bedenkliche Lücke der bisher
          herrschenden Auffassung, die
          christlich-abendländischen Völker fast
          mehr als Kulturfortsetzung der römischen,
          griechischen und höchstens noch der jüdischen
          Geschichte zu betrachten. Was wir in unseren heutigen
          volkswirtschaftlichen Erscheinungen unter dem Begriff
          „Kapitalismus“ zusammenfassen, führt
          sich entwicklungsgeschichtlich ganz
          überwiegend auf das arabisch-islamische Reich
          zurück. Es kann schon deshalb hier gesagt werden,
          daß wir den Wechsel, das Bankwesen, die
          kaufmännische Buchführung dem Orient zu
          verdanken haben. Was wir heute deutsches
          Handelsrecht nennen, das ist ein Recht, an welchem die
          Handels völker des Orients
          seit Jahrtausenden in der raffiniertesten Weise
          gearbeitet haben.
völker des Orients
          seit Jahrtausenden in der raffiniertesten Weise
          gearbeitet haben.
          Unsere nationalökonomische Literatur hat dadurch
          wenig gewonnen, daß sie die Geschichte des Orients
          fast vollständig vernachlässigt hat.
          Prof. Bücher würde nach
          Kenntnisnahme von dieser Geschichte niemals seine so
          energisch verteidigte Theorie aufgestellt haben: bis zur
          Entstehung des modernen Staates reiche die
          ausschliesslich haus- und stadtwirtschaftliche Epoche und
          erst von da ab sei die volkswirtschaftliche Entwicklung
          zu datieren. Das arabisch-islamische Weltreich hatte
          längst die volkswirtschaftliche Organisation zu
          einer geradezu großartigen Entfaltung gebracht.
          Diese so notwendige Beschäftigung der
          Nationalökonomie mit der orientalischen Geschichte
          muß freilich eine andere sein, als sie von Prof.
          Gustav Schmoller in seinem
          „Grundriß der allgemeinen
          Volkswirtschaftslehre“ beliebt wurde. Was
          hier im letzten Bande (1904 erschienen) auf Seite 1125
          ff. über arabisch-islamische Verhältnisse
          gesagt wird, ist Satz für Satz
          unrichtig. Von fachmännischer Seite wurden
          deshalb diese Schmoller’schen Ausführungen mit
          Recht als „eine Mißhandlung der
          islamischen Geschichte“ bezeichnet! Man wird
          uns also zubilligen, einen zeitgemäßen
          Literaturbeitrag geliefert zu haben, wenn wir im
          Nachfolgenden erstmals eine
          nationalökonomische Darstellung der
          Entwicklungsgeschichte des islamischen Weltreichs bieten.
          Für die besondere fachmännische Beratung darf
          auch an dieser Stelle dem Herrn Professor Martin
          Hartmann vom orientalischen Seminar in Berlin
          aufrichtiger Dank zum Ausdrucke gebracht werden.
          Aus der Literatur sind hier vor allem zu nennen:
          A. Müller, der Islam im Morgen- und
          Abendlande, 2 Bde. Berlin 1885 und 1887. Alfr. von
          Kremer, Kulturgeschichte des Orients. 2 Bde. Wien
          1875 und 1877. Derselbe, Ueber das
          Einnahmebudget des Abbasidenreiches vom Jahre 306 H.
          (918–919 n. Chr. )Wien 1887. Th.
          Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber zur
          Zeit der Sasaniden, aus der arabischen Chronik des
          Tabari, Leyden 1879, J. Wellhausen, Das
          arabische Reich und sein Sturz, Berlin 1902, A.
          Sprenger, Babylonien, das reichste Land in der
          Vorzeit und das lohnendste Kolonisationsfeld für die
          Gegenwart, Heidelberg 1886, ferner: Alfr. von
          Kremer, Ibn Chaldun, Sitzungsbericht der
          philos.-histor. Klasse der Akademie der Wissenschaften,
          Wien 1879, M. de Slane, les
          prolégomènes d’Ibn Khaldoun, traduits
          en  français et commentés,
          Paris 2 Bde. 1865, Jos. Kohler moderne
          Rechtsfragen bei islamitischen Juristen, Würzburg
          1885, derselbe, Die Commenda im islamischen
          Rechte, Würzburg 1885, derselbe
          islamisches Obligationen- und Pfandrecht, Zeitschft. f.
          vergl. Rechtswissenschaft 6. Bd. 1886 S. 208 ff.,
          derselbe juristischer Excurs zu Peis,
          babylonische Verträge, Berlin 1890,
          derselbe, Ein Bankhaus vor 2500 Jahren im
          „Zeitgeist“, Beiblatt des Berliner Tageblatt
          No. 29 Juli 1901. Grasshoff das Wechselrecht
          der Araber, Berlin 1899, Schaube, Studien
          zur Geschichte und Natur des ältesten Cambium in
          Conrad’s Jahrbücher f. Nationalökonomie
          u. Statistik Bd. LXV. S. 153 ff., derselbe
          Betrachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte,
          Zeitschft. d. Savingny-Stiftung, germanist. Abt. Bd. XIV.
          S. 111 ff. Palgrave, a narrative of a
          year’s journey through Central and Eastern Arabia 2
          Bde. London 6. Aufl. 1871.
 français et commentés,
          Paris 2 Bde. 1865, Jos. Kohler moderne
          Rechtsfragen bei islamitischen Juristen, Würzburg
          1885, derselbe, Die Commenda im islamischen
          Rechte, Würzburg 1885, derselbe
          islamisches Obligationen- und Pfandrecht, Zeitschft. f.
          vergl. Rechtswissenschaft 6. Bd. 1886 S. 208 ff.,
          derselbe juristischer Excurs zu Peis,
          babylonische Verträge, Berlin 1890,
          derselbe, Ein Bankhaus vor 2500 Jahren im
          „Zeitgeist“, Beiblatt des Berliner Tageblatt
          No. 29 Juli 1901. Grasshoff das Wechselrecht
          der Araber, Berlin 1899, Schaube, Studien
          zur Geschichte und Natur des ältesten Cambium in
          Conrad’s Jahrbücher f. Nationalökonomie
          u. Statistik Bd. LXV. S. 153 ff., derselbe
          Betrachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte,
          Zeitschft. d. Savingny-Stiftung, germanist. Abt. Bd. XIV.
          S. 111 ff. Palgrave, a narrative of a
          year’s journey through Central and Eastern Arabia 2
          Bde. London 6. Aufl. 1871.
          
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          § 1. Die Entstehung einer Weltherrschaft aus
          verhältnismäßig kleinen und bescheidenen
          Anfängen hat naturgemäß vor allem zur
          Voraussetzung, daß nicht gleichzeitig ein
          großes machtvolles Staatswesen in politischer
          Nähe existiert. Die Zeitrechnung der Muhammedaner
          beginnt mit der Flucht ihres Propheten
          Muhammed (d. h. der Vielgepriesene) von Mekka nach
          Medina im Jahre 622 n. Chr., von den Arabern
          Hidschra genannt. Persien und
          das byzantinische Reich sind die beiden
          Großstaaten, gegen welche die Ausbreitung der
          arabischen Macht in erster Linie gerichtet sein
          mußte, und zu deren politischen Aufgaben es
          gehört hätte, den Emporkömmling zur
          rechten Zeit unschädlich zu machen. Hierzu waren
          damals die Zeitverhältnisse in Persien, wie in
          Byzanz wenig geeignet. Beide Großstaaten hatten in
          langen Kämpfen sich gegenseitig geschwächt.
          Thronstreitigkeiten, theologischer Zwist,
          Bürgerkriege und Zersplitterungsbestrebungen im
          eigenen Lande füllten die Tagesgeschichte aus. Eine
          immer be denkliche Unterschätzung des
          Gegners tat das Uebrige. So kam es, daß sowohl die
          Perser wie die Byzantiner dem ungewöhnlich rasch
          aufstrebenden Reiche der Araber erst dann ihre
          Aufmerksamkeit schenkten, als es für beide bereits
          zu spät war.
denkliche Unterschätzung des
          Gegners tat das Uebrige. So kam es, daß sowohl die
          Perser wie die Byzantiner dem ungewöhnlich rasch
          aufstrebenden Reiche der Araber erst dann ihre
          Aufmerksamkeit schenkten, als es für beide bereits
          zu spät war.
          § 2. Die Heimat der welterobernden
          Araber ist bekanntlich die südwestlichste
          große Halbinsel Asiens, die durch den persischen
          Golf als Teil des indischen Ozeans vom Kontinent Asien
          getrennt wird und durch die syrisch-arabische Wüste
          mit ihm zusammenhängt. Durch die Landenge von Suez
          mit Afrika bezw. mit Aegypten verbunden und durch das
          rote Meer von diesen geschieden, repräsentiert das
          Land der Araber, bei ausgedehnter Küstenbildung, ein
          Uebergangsglied zwischen Asien und Afrika.
          Die Ausbreitung der Herrschaft nach diesen beiden
          Erdteilen konnte dadurch nur begünstigt werden. Die
          Flächenausdehnung des Landes ist eine große.
          Sie wird auf wenig unter drei Millionen Quadratkilometer,
          also auf etwa ein Viertel von Europa geschätzt.
          Davon sollen nach Palgrave drei Viertel anbaufähiges
          Land sein. Der herrschende Wassermangel jedoch hat der
          Pflanzenwelt zum überwiegenden Teile den Charakter
          der östlichen Sahara aufgedrückt. Die
          ausgedehnten Wüsten haben die dort wohnenden
          Menschen gezwungen, sich der Zucht von Tieren zu
          befleißigen, welche zur Ueberwindung von
          Entfernungen im Wüstenlande besonders geeignet sind.
          Daraus ist das ausgezeichnete arabische
          Pferd und das, für solche Gegenden
          unersetzliche, Menschen und Lasten tragende
          arabische Kamel hervorgegangen. Das
          arabische Pferd und das arabische Kamel sind von den
          gewaltigen Eroberungszügen der Araber untrennbar.
          Nur mit ihrer Hilfe war es den arabischen Herren
          möglich, durch die Wüsten von Indien, Persien,
          Kleinasien und Nordafrika mit überlegener
          Schnelligkeit sich zu bewegen und durch ein  immer ganz überraschendes
          Auftreten den Gegner in eine weniger günstige Lage
          von Anfang an zu versetzen.
 immer ganz überraschendes
          Auftreten den Gegner in eine weniger günstige Lage
          von Anfang an zu versetzen.
          § 3. Die Bevölkerung der
          arabischen Halbinsel wird für die Zeit Muhammeds auf
          etwa 5 Millionen Einwohner geschätzt, die zumeist
          nach Art der heutigen Beduinen im weitgestreckten Lande
          ein Nomadenleben führten. Das Volk war
          noch streng nach Familien und Stämmen gegliedert und
          von einem noch ungebändigten Freiheitsdrange
          getragen. Durch eine Reihe von Jahrhunderten hat es die
          Unterjochungsversuche der babylonischen, assyrischen,
          ägyptischen und persischen Könige abgewiesen.
          Und selbst das römische Weltreich hat hier nur
          Teilerfolge erzielen können. So war den Arabern der
          Kampf ihr Lebenselement geworden. Fehlte es an einem
          auswärtigen Feinde ihrer Freiheit, so kämpften
          sie unter sich um Blutrache, um einen Brunnen, um
          Weidegründe für ihre Herden, oder auch um ganz
          nichtssagende Dinge, wie um ein paar zertretene
          Lercheneier oder um den zweifelhaften Ausgang eines
          Pferderennens jahrzehntelang die blutigsten Fehden. Bei
          all dem hatten sich bestimmte Regeln einer gewissen
          ritterlichen Moral ausgebildet, deren Summe Muruwwa
          (virtus, Tugend) genannt wird. Die Wahrung der Ehre des
          Stammes und der Familie und die rachsüchtige
          Bekämpfung Aller, die derselben Abbruch getan,
          standen hier an erster Stelle. Trotz aller Freiheitsliebe
          aber hielt man sich durch einen einmal abgeschlossenen
          Vertrag gebunden. So wurde bei jeder Erledigung der
          Herrscherwürde durch Wahl, und nicht durch Erbrecht,
          der Nachfolger bestimmt. Aber so lange nicht ganz
          besondere Umstände gewaltsam sich geltend machten,
          wählte man den neuen Herrscher immer wieder aus der
          gleichen Familie. Großmütig waren die alten
          Araber in der Uebung der Gastfreundschaft, wie in der
          Beschützung der Verfolgten, die in ihren Zelten
          Schutz gesucht haben. Die Stellung  der Frau war eine freie und
          hoch geachtete. Sie konnte unverschleiert ausgehen und
          auch männliche Besuche empfangen. Es galt als eine
          grobe Verletzung der guten Sitte, in Gegenwart einer Frau
          unanständige Reden zu führen. Die reiche
          poetische Begabung dieses Volkes findet ihren Ausdruck in
          der großen Zahl von schönen
          Volksgesängen, welche den alten Stammesfehden
          gewidmet sind. Aber auch für die uralte
          Tätigkeit des Handels: möglichst
          billig kaufen und möglichst teuer verkaufen, zeigten
          schon die alten Araber ebenso viel Neigung wie
          Verständnis. Eine Gelegenheit, sich zu bereichern,
          ließ man auch dann nicht gerne unbenützt
          vorübergehen, wenn die Erwerbsart die Form der
          Razzia angenommen und mithin nichts anderes
          als ein mit List und Gewalt ausgeführter Raubzug
          war. Die geographische Lage des Landes als
          Verbindungsbrücke zwischen drei Erdteilen —
          wenn wir berechtigter Weise neben Asien und Afrika auch
          noch Europa hinzurechnen — mußte dem Volke
          die Betätigung des Handels naherücken, die auch
          durch religiöse Sitten begünstigt wurde. Die
          alten Araber waren Götzendiener, die in der
          Kaaba in Mekka ein uraltes und weit im Lande
          anerkanntes Heiligtum besaßen, das durch Pilger
          fleißig besucht wurde. Bei der Länge des
          Weges, welcher zurückzulegen war, und den mancherlei
          Gefahren, welche in diesem kriegerischen Lande mit einer
          langen Reise verknüpft waren, mußte die
          Einrichtung großer Pilgerkarawanen zu ganz
          bestimmten Zeiten des Jahres geboten erscheinen. Solche
          Pilgermonate waren dann
          „heilige“ Monate geworden, in
          denen das Kämpfen durch Sitte und Verträge
          unbedingt verboten war. Die Zeit aber, in welcher die
          Pilgerkarawanen in Mekka zusammenkamen, bot auch die
          beste Gelegenheit zum Abschuß von
          Handelsgeschäften. So war das Volk und sein Land,
          das in überraschend kurzer Zeit zur Weltherrschaft
          kommen sollte.
 der Frau war eine freie und
          hoch geachtete. Sie konnte unverschleiert ausgehen und
          auch männliche Besuche empfangen. Es galt als eine
          grobe Verletzung der guten Sitte, in Gegenwart einer Frau
          unanständige Reden zu führen. Die reiche
          poetische Begabung dieses Volkes findet ihren Ausdruck in
          der großen Zahl von schönen
          Volksgesängen, welche den alten Stammesfehden
          gewidmet sind. Aber auch für die uralte
          Tätigkeit des Handels: möglichst
          billig kaufen und möglichst teuer verkaufen, zeigten
          schon die alten Araber ebenso viel Neigung wie
          Verständnis. Eine Gelegenheit, sich zu bereichern,
          ließ man auch dann nicht gerne unbenützt
          vorübergehen, wenn die Erwerbsart die Form der
          Razzia angenommen und mithin nichts anderes
          als ein mit List und Gewalt ausgeführter Raubzug
          war. Die geographische Lage des Landes als
          Verbindungsbrücke zwischen drei Erdteilen —
          wenn wir berechtigter Weise neben Asien und Afrika auch
          noch Europa hinzurechnen — mußte dem Volke
          die Betätigung des Handels naherücken, die auch
          durch religiöse Sitten begünstigt wurde. Die
          alten Araber waren Götzendiener, die in der
          Kaaba in Mekka ein uraltes und weit im Lande
          anerkanntes Heiligtum besaßen, das durch Pilger
          fleißig besucht wurde. Bei der Länge des
          Weges, welcher zurückzulegen war, und den mancherlei
          Gefahren, welche in diesem kriegerischen Lande mit einer
          langen Reise verknüpft waren, mußte die
          Einrichtung großer Pilgerkarawanen zu ganz
          bestimmten Zeiten des Jahres geboten erscheinen. Solche
          Pilgermonate waren dann
          „heilige“ Monate geworden, in
          denen das Kämpfen durch Sitte und Verträge
          unbedingt verboten war. Die Zeit aber, in welcher die
          Pilgerkarawanen in Mekka zusammenkamen, bot auch die
          beste Gelegenheit zum Abschuß von
          Handelsgeschäften. So war das Volk und sein Land,
          das in überraschend kurzer Zeit zur Weltherrschaft
          kommen sollte.
           § 4. Der erste Führer des
          arabischen Volkes auf der Bahn zur Weltherrschaft war
          sein Prophet Muhammed. Geboren zu Mekka im
          Jahre 571 n. Chr. aus dem Stamme Koreisch,
          lernte er als kleiner mekkanischer Kaufmann auf
          Handelsreisen nach Syrien die jüdische und
          christliche Religion kennen. Durch seine Vermählung
          mit der reichen Kaufmannswitwe Chadidscha in
          Mekka ökonomisch unabhängig geworden, suchte er
          in der Gebirgseinsamkeit der Umgegend von Mekka die
          Antwort auf die Frage nach der rechten Religion für
          das arabische Volk. Erfüllt von seiner neuen
          Gotteserkenntnis begann er nach ernsten seelischen
          Kämpfen öffentlich davon Zeugnis zu geben gegen
          den in Mekka herrschenden heidnischen Götzendienst.
          Er war deshalb ein Prophet im wahren Sinne
          dieser Bezeichnung. Wenn der deutsche Sprachgebrauch
          unter dem Worte „Prophet“ eine Person
          versteht, welche die Zukunft vorhersagt, so ist darin
          eine ungeheuerliche Entstellung der eigentlichen
          Bedeutung dieses Wortes enthalten, deren sich die
          hebräische, griechische, lateinische und arabische
          Sprache nicht schuldig gemacht haben.
 § 4. Der erste Führer des
          arabischen Volkes auf der Bahn zur Weltherrschaft war
          sein Prophet Muhammed. Geboren zu Mekka im
          Jahre 571 n. Chr. aus dem Stamme Koreisch,
          lernte er als kleiner mekkanischer Kaufmann auf
          Handelsreisen nach Syrien die jüdische und
          christliche Religion kennen. Durch seine Vermählung
          mit der reichen Kaufmannswitwe Chadidscha in
          Mekka ökonomisch unabhängig geworden, suchte er
          in der Gebirgseinsamkeit der Umgegend von Mekka die
          Antwort auf die Frage nach der rechten Religion für
          das arabische Volk. Erfüllt von seiner neuen
          Gotteserkenntnis begann er nach ernsten seelischen
          Kämpfen öffentlich davon Zeugnis zu geben gegen
          den in Mekka herrschenden heidnischen Götzendienst.
          Er war deshalb ein Prophet im wahren Sinne
          dieser Bezeichnung. Wenn der deutsche Sprachgebrauch
          unter dem Worte „Prophet“ eine Person
          versteht, welche die Zukunft vorhersagt, so ist darin
          eine ungeheuerliche Entstellung der eigentlichen
          Bedeutung dieses Wortes enthalten, deren sich die
          hebräische, griechische, lateinische und arabische
          Sprache nicht schuldig gemacht haben.
          § 5. Mit seinem festen Glauben an nur
          einen Gott (Allah), in dessen Willen man
          sich gläubig zu ergeben habe (Islam),
          verknüpfte Muhammed ein feines Empfinden für
          soziales Recht. Er wird in seiner
          kaufmännischen Praxis oft genug Gelegenheit gefunden
          haben, den volkswirtschaftlich vernichtenden
          Einfluß namentlich der Geldkapitalisten kennen zu
          lernen. Dieser Gefahr gegenüber mußte nach
          seiner Auffassung das Volk bedingungslos geschützt
          werden. Nach Muhammed war deshalb jede Form des
          Zinses für ein Gelddarlehen verboten. Aber
          der islamische Wucherbegriff ging nach Professor Kohler
          darüber noch weit hinaus und umfaßte jeden
          Geldgewinn aus dem Moment der Zeit. Die heute an unseren
          Börsen so sehr beliebten sog.
          „Kostgeschäfte“ (contractus  mohatrae) waren schon zu
          Muhammed’s Zeiten den Arabern bekannt und nach dem
          Propheten als Wucher verboten, sobald
          zwischen Kaufs- und Verkaufspreis eine Gewinndifferenz zu
          Gunsten des Geldgebers verblieb. Ebenso war der
          Aufkauf und das Einsperren von
          Ware zum Zwecke einer Preistreiberei streng
          untersagt. Es gab Bestimmungen gegen den unlauteren
          Wettbewerb, zur Sicherung des
          Markenschutzes u.s.w.
          Trotz des streng zur Durchführung gekommenen
          Zinsverbotes war das Geld nicht verurteilt, nutzlos im
          Kasten zu liegen. Um das Kapital des Einen, der die
          Fähigkeit nicht besaß, damit zu produzieren,
          mit der wirtschaftlichen Tätigkeit und
          Befähigung des Anderen, der über kein oder
          nicht genügend Kapital verfügte, in Verbindung
          zu bringen, bediente Muhammed selbst sich der
          Kommanditgesellschaft (commenda, arabisch
          Kirad), welches Institut deshalb von dem islamischen
          Recht mit besonderer Vorliebe behandelt wurde. Daraus
          ergeben sich nach Professor Kohler folgende allgemeine
          Rechtsgrundsätze: Der Gerant wird durch eine Reihe
          von Bestimmungen gegen Auswucherung durch den
          Kapitalisten geschützt. Der Gerant hat volle
          Aktionsfreiheit. Der Kapitalist hat nicht das Recht,
          seine geschäftliche Tätigkeit durch Einreden zu
          stören. Wohl aber soll sich der Gerant im Prinzip
          aller unsicheren Spekulationen enthalten. In der Regel
          bringt der Kapitalist nur bares Geld in das
          Kommanditverhältnis ein. Werden von ihm noch andere
          unbare Einlagen gemacht, so gilt dafür
          ausdrücklich nur der genau nachgewiesene
          Selbstkostenpreis. Der Gerant erhält für seine
          Tätigkeit keinen Lohn, aber Ersatz für seine
          Reise- und Aufenthaltskosten. Nachdem die
          Geschäftsunkosten gedeckt sind und das Kapital
          zurückerstattet ist, wird der verbleibende Gewinn in
          der Regel zu gleichen Teilen zwischen dem Geranten und
          dem Kapitalisten geteilt. In ähnlicher
 mohatrae) waren schon zu
          Muhammed’s Zeiten den Arabern bekannt und nach dem
          Propheten als Wucher verboten, sobald
          zwischen Kaufs- und Verkaufspreis eine Gewinndifferenz zu
          Gunsten des Geldgebers verblieb. Ebenso war der
          Aufkauf und das Einsperren von
          Ware zum Zwecke einer Preistreiberei streng
          untersagt. Es gab Bestimmungen gegen den unlauteren
          Wettbewerb, zur Sicherung des
          Markenschutzes u.s.w.
          Trotz des streng zur Durchführung gekommenen
          Zinsverbotes war das Geld nicht verurteilt, nutzlos im
          Kasten zu liegen. Um das Kapital des Einen, der die
          Fähigkeit nicht besaß, damit zu produzieren,
          mit der wirtschaftlichen Tätigkeit und
          Befähigung des Anderen, der über kein oder
          nicht genügend Kapital verfügte, in Verbindung
          zu bringen, bediente Muhammed selbst sich der
          Kommanditgesellschaft (commenda, arabisch
          Kirad), welches Institut deshalb von dem islamischen
          Recht mit besonderer Vorliebe behandelt wurde. Daraus
          ergeben sich nach Professor Kohler folgende allgemeine
          Rechtsgrundsätze: Der Gerant wird durch eine Reihe
          von Bestimmungen gegen Auswucherung durch den
          Kapitalisten geschützt. Der Gerant hat volle
          Aktionsfreiheit. Der Kapitalist hat nicht das Recht,
          seine geschäftliche Tätigkeit durch Einreden zu
          stören. Wohl aber soll sich der Gerant im Prinzip
          aller unsicheren Spekulationen enthalten. In der Regel
          bringt der Kapitalist nur bares Geld in das
          Kommanditverhältnis ein. Werden von ihm noch andere
          unbare Einlagen gemacht, so gilt dafür
          ausdrücklich nur der genau nachgewiesene
          Selbstkostenpreis. Der Gerant erhält für seine
          Tätigkeit keinen Lohn, aber Ersatz für seine
          Reise- und Aufenthaltskosten. Nachdem die
          Geschäftsunkosten gedeckt sind und das Kapital
          zurückerstattet ist, wird der verbleibende Gewinn in
          der Regel zu gleichen Teilen zwischen dem Geranten und
          dem Kapitalisten geteilt. In ähnlicher  Weise lauten die Bestimmungen
          für die Gesellschaften und Genossenschaften mit
          beschränkter und unbeschränkter Haftpflicht.
          Nach der heute herrschenden volkswirtschaftlichen
          Organisation ist das spekulative Privatkapital
          Leiter des Unternehmergeistes der Nationen. Nach
          der Auffassung Muhammed’s hat die schaffende
          produktive Arbeit die Leitung und dem Kapitalisten
          ist eine nachgeordnete Position zugeteilt. Erst auf
          dieser besseren Rechtsbasis hatte der
          Freihandel und die
          Freizügigkeit, für welche der
          Prophet durch ausdrückliches Verbot der
          Grenzzölle und aller Verbrauchsabgaben eingetreten
          ist, volle soziale Berechtigung.
 Weise lauten die Bestimmungen
          für die Gesellschaften und Genossenschaften mit
          beschränkter und unbeschränkter Haftpflicht.
          Nach der heute herrschenden volkswirtschaftlichen
          Organisation ist das spekulative Privatkapital
          Leiter des Unternehmergeistes der Nationen. Nach
          der Auffassung Muhammed’s hat die schaffende
          produktive Arbeit die Leitung und dem Kapitalisten
          ist eine nachgeordnete Position zugeteilt. Erst auf
          dieser besseren Rechtsbasis hatte der
          Freihandel und die
          Freizügigkeit, für welche der
          Prophet durch ausdrückliches Verbot der
          Grenzzölle und aller Verbrauchsabgaben eingetreten
          ist, volle soziale Berechtigung.
          § 6. Zu seiner strengen Rechtlichkeit im
          wirtschaftlichen Verkehre mit Nebenmenschen kam noch eine
          ungewöhnlich umfassende Fürsorge für
          die Armen, Kranken und Bedürftigen und eine für
          jene Zeit außerordentliche Milde gegen
          Sklaven. Als Almosen- oder
          Armensteuer führte der Prophet eine
          allgemeine Vermögenssteuer ein, von welcher nur die
          kleineren Vermögen und dann der Grundbesitz befreit
          waren. Letzterer hatte statt der Armensteuer den
          Zehent als Grundsteuer zu entrichten. Die
          größeren Vermögen wurden von der
          Armensteuer mit einer leicht ansteigenden Progression
          erfaßt. Der normale Steuersatz scheint etwa
          2 1⁄2% gewesen zu sein. Diese allgemeine
          Steuer zur Unterstützung der Armen, Kranken und
          Bedürftigen galt als eine religiöse
          Verpflichtung, an deren Erfüllung die
          Verheißung geknüpft war, daß damit der
          Geber und sein Besitztum von allen Sünden gereinigt
          werde. Dem ganzen Charakter dieser Steuer entsprach auch
          eine rücksichtsvolle Form der Erhebung. Schlechte,
          kranke und alte Tiere sollten bei der
          Steuereinschätzung nicht gezählt werden, wohl
          aber war der Steuereinnehmer beauftragt, kein als
          Steuerzahlung angebotenes Tier zurückzuweisen.
          Ergänzend kommt noch  hinzu die
          streng eingeschärfte Verpflichtung, durch Almosen
          und Stiftungen sich an der Fürsorge für Arme,
          Kranke und Pilger zu beteiligen.
 hinzu die
          streng eingeschärfte Verpflichtung, durch Almosen
          und Stiftungen sich an der Fürsorge für Arme,
          Kranke und Pilger zu beteiligen.
          Der Sklave, welcher nach römischem
          Recht eine Sache war, über welche der Herr ohne
          Einschränkung nach Belieben verfügte, hat bei
          Muhammed als Mensch gegolten. Den Herren war
          eine menschenwürdige Behandlung ihrer Sklaven
          geboten. Sie sollten auch mit Arbeit nicht
          überlastet werden. Es war eine der wichtigsten
          Aufgaben der Polizei, die Einhaltung dieser
          Gebote zu überwachen. Bei der jährlichen
          Verteilung des Ueberschusses aus der
          Staatskasse wurden auch die zum Islam
          gehörenden Sklaven berücksichtigt.
          Der islamische Sklave war für sich
          erwerbsfähig. Die Freilassung der Sklaven
          wurde in besonderem Maße begünstigt.
          Verschiedene Verletzungen der religiösen Pflichten
          konnten durch Freigabe eines Sklaven gesühnt
          werden.
          Hierher gehört noch der Grundsatz voller
          Gleichberechtigung aller Gläubigen (Muslemin) und
          die tolerante Behandlung der Juden und
          Christen, welche durch besondere
          Verträge gegen bestimmte Tributleistungen sich ihren
          Besitz, ihre Erwerbsfähigkeit und ihre
          Religionsausübung sichern konnten.
          Charakteristischer Weise enthielt der Wortlaut dieser
          Verträge die Beifügung: „So lange Gott
          will!“
          § 7. Aber Muhammed war nicht nur von seinem
          Glauben an den einzigen Gott durchdrungen und von idealen
          Rechtsempfindungen getragen, Muhammed war
          auch ein Kenner des arabischen Volkscharakters und hat
          wohl schon zu Anfang seines Prophetenberufes
          großen Zielen einer national-arabischen
          Politik Rechnung getragen. Auch in seiner Brust
          wohnten zwei verschiedene Seelen. Seine Religion war ihm
          auch Politik und zwar  nicht nur
          Kirchenpolitik. Muhammed wollte neben dem Jenseits auch
          das Diesseits gewinnen. Das arabische Volk, wie es damals
          war, mußte ein fast unüberwindliches
          Eroberungsheer liefern, sobald es nur gelingen wollte,
          die im höchsten Maße partikularistisch
          veranlagten Volksstämme zu einer nationalen Einheit
          zusammenzufassen. Die neue Religion allein mit ihrem
          Bekenntnis zu einem Gott und seinem Propheten konnte zwar
          eine begeisterte und unbedingt ergebene Gemeinde von
          einigen tausend Köpfen schaffen, zur Einigung der
          Nation genügte das nicht. Muhammed sah sich deshalb
          vor allem auch veranlaßt, die ergiebigtsten
          Quellen der Stammesfehden zu verstopfen. Hier
          stand in erster Linie die Blutrache. Sie
          wurde unter den Gläubigen bei Todesstrafe
          verboten und durch eine Bußgeldleistung
          ersetzt. Weiter wurde das Weintrinken und
          Hazardspielen untersagt, weil auch hierdurch
          viel Feindschaft unter den Gläubigen entstanden ist
          und die vorgeschriebenen Gebetsübungen leicht
          vernachlässigt wurden. Diese Gebetsübungen
          versammelten fünfmal täglich die
          Gläubigen in der Moschee, wo dann
          sämtliche Handbewegungen des Vorbeters von den
          Anwesenden in genau gleichem Tempo nachgeahmt wurden.
          Dazu an jedem Freitag die Predigt, welche
          dem Führer der Gemeinde Gelegenheit bot, auch alle
          öffentlichen Angelegenheiten zur Sprache zu bringen.
          Man hat mit Recht gesagt: „Die Moschee war der
          Exerzierplatz der Muslimen, die hier als Araber endlich
          einmal gehorchen lernten“ ! Aber all das
          würde bei den so habgierigen Wüstenhelden nicht
          zugereicht haben, die nationale Einheit zu schaffen, wenn
          es Muhammed nicht gelungen wäre, aus der Gemeinde
          der Gläubigen eine
          Geschäftsgemeinde mit ungewöhnlich
          reichen Gewinnaussichten zu machen und zwar selbst auf
          die Gefahr hin, damit als Prophet die Grenze des sittlich
          Berechtigten weit zu überschreiten.
 nicht nur
          Kirchenpolitik. Muhammed wollte neben dem Jenseits auch
          das Diesseits gewinnen. Das arabische Volk, wie es damals
          war, mußte ein fast unüberwindliches
          Eroberungsheer liefern, sobald es nur gelingen wollte,
          die im höchsten Maße partikularistisch
          veranlagten Volksstämme zu einer nationalen Einheit
          zusammenzufassen. Die neue Religion allein mit ihrem
          Bekenntnis zu einem Gott und seinem Propheten konnte zwar
          eine begeisterte und unbedingt ergebene Gemeinde von
          einigen tausend Köpfen schaffen, zur Einigung der
          Nation genügte das nicht. Muhammed sah sich deshalb
          vor allem auch veranlaßt, die ergiebigtsten
          Quellen der Stammesfehden zu verstopfen. Hier
          stand in erster Linie die Blutrache. Sie
          wurde unter den Gläubigen bei Todesstrafe
          verboten und durch eine Bußgeldleistung
          ersetzt. Weiter wurde das Weintrinken und
          Hazardspielen untersagt, weil auch hierdurch
          viel Feindschaft unter den Gläubigen entstanden ist
          und die vorgeschriebenen Gebetsübungen leicht
          vernachlässigt wurden. Diese Gebetsübungen
          versammelten fünfmal täglich die
          Gläubigen in der Moschee, wo dann
          sämtliche Handbewegungen des Vorbeters von den
          Anwesenden in genau gleichem Tempo nachgeahmt wurden.
          Dazu an jedem Freitag die Predigt, welche
          dem Führer der Gemeinde Gelegenheit bot, auch alle
          öffentlichen Angelegenheiten zur Sprache zu bringen.
          Man hat mit Recht gesagt: „Die Moschee war der
          Exerzierplatz der Muslimen, die hier als Araber endlich
          einmal gehorchen lernten“ ! Aber all das
          würde bei den so habgierigen Wüstenhelden nicht
          zugereicht haben, die nationale Einheit zu schaffen, wenn
          es Muhammed nicht gelungen wäre, aus der Gemeinde
          der Gläubigen eine
          Geschäftsgemeinde mit ungewöhnlich
          reichen Gewinnaussichten zu machen und zwar selbst auf
          die Gefahr hin, damit als Prophet die Grenze des sittlich
          Berechtigten weit zu überschreiten.
           § 8. Als Muhammed im Jahre 622
          n. Chr. mit seinen Fluchtgenossen
          (Mohadschir) von Mekka nach Medina sich gerettet hatte,
          stand er und seine Gemeinde mit den Mekkanern auf dem
          Kriegsfuße. Mit der Zunahme der
          Hülfsgenossen aus Medina (El Anssar)
          erstarkte die kriegerische Macht der neuen Vereinigung.
          Deshalb konnten Ueberfälle und Gefechte gewagt
          werden. Die dabei eroberte Beute wurde
          verteilt und zwar so, daß 1⁄5 die Staatskasse, 4⁄5 die Gemeindemitglieder nach
          Maßgabe ihrer Anteilnahme an dem kriegerischen
          Unternehmen erhielten. Grund und Boden hat man den
          Besiegten zur Bebauung überlassen gegen Abgabe
          der Hälfte des Naturalertrags, welche als
          „Grundsteuer der Unterworfenen“
          — im Gegensatze zur Grundsteuer der Gläubigen,
          welche sich auf den „Zehent“ beschränkte
          — der Staatskasse zugute kam. Den Muslimen
          wurde verboten, in den eroberten Gebieten Grundbesitz zu
          erwerben, um eine Schwächung der
          kriegerischen Kräfte durch Ansiedlung von
          Gemeindemitgliedern in den neuen Ländergebieten zu
          verhüten. Versöhnt wurden die Gläubigen
          mit dieser, im ersten Augenblicke etwas
          überraschenden Maßnahme dadurch, daß
          der in der Staatskasse nach Deckung des
          Staatsbedarfs verbleibende
          Einnahmeüberschuß an die Gemeindemitglieder
          zur Verteilung kam. So wurde ihnen statt des
          Grundbesitzes der Grundertrag ausgeliefert. Die erste
          Anwendung dieser Verteilungsgrundsätze durch den
          Propheten findet sich nach der Eroberung von
          Cheibar im Jahre 628 n. Chr. (7. Hidshra).
          Noch heute nennt man im islamischen Reiche das
          Staatsvermögen „das Schatzhaus der
          Muslime“ (bait-mâl almoslimyn).
 § 8. Als Muhammed im Jahre 622
          n. Chr. mit seinen Fluchtgenossen
          (Mohadschir) von Mekka nach Medina sich gerettet hatte,
          stand er und seine Gemeinde mit den Mekkanern auf dem
          Kriegsfuße. Mit der Zunahme der
          Hülfsgenossen aus Medina (El Anssar)
          erstarkte die kriegerische Macht der neuen Vereinigung.
          Deshalb konnten Ueberfälle und Gefechte gewagt
          werden. Die dabei eroberte Beute wurde
          verteilt und zwar so, daß 1⁄5 die Staatskasse, 4⁄5 die Gemeindemitglieder nach
          Maßgabe ihrer Anteilnahme an dem kriegerischen
          Unternehmen erhielten. Grund und Boden hat man den
          Besiegten zur Bebauung überlassen gegen Abgabe
          der Hälfte des Naturalertrags, welche als
          „Grundsteuer der Unterworfenen“
          — im Gegensatze zur Grundsteuer der Gläubigen,
          welche sich auf den „Zehent“ beschränkte
          — der Staatskasse zugute kam. Den Muslimen
          wurde verboten, in den eroberten Gebieten Grundbesitz zu
          erwerben, um eine Schwächung der
          kriegerischen Kräfte durch Ansiedlung von
          Gemeindemitgliedern in den neuen Ländergebieten zu
          verhüten. Versöhnt wurden die Gläubigen
          mit dieser, im ersten Augenblicke etwas
          überraschenden Maßnahme dadurch, daß
          der in der Staatskasse nach Deckung des
          Staatsbedarfs verbleibende
          Einnahmeüberschuß an die Gemeindemitglieder
          zur Verteilung kam. So wurde ihnen statt des
          Grundbesitzes der Grundertrag ausgeliefert. Die erste
          Anwendung dieser Verteilungsgrundsätze durch den
          Propheten findet sich nach der Eroberung von
          Cheibar im Jahre 628 n. Chr. (7. Hidshra).
          Noch heute nennt man im islamischen Reiche das
          Staatsvermögen „das Schatzhaus der
          Muslime“ (bait-mâl almoslimyn).
          § 9. Für die Gläubigen wurde diese
          Eroberungspolitik in die Formel des Religionskrieges und
          in den besonderen Auftrag gekleidet:
          „Bekämpfet die Un gläubigen, bis sie Euch
          demütig die Steuer zahlen!“ Aber weil
          damit die Sache der Religion die Sache des gemeinsamen
          rücksichtslosen Erwerbs geworden war, konnte jetzt
          der Kern der niemals wankenden Strenggläubigen (der
          Anssars und der Mohadshirs) von der großen
          Masse der immer beutehungrigen Beduinen
          umschlossen werden, um die erobernden Heere bald
          lawinenartig anwachsen zu lassen. Schon genügte die
          einfache Aufforderung des Propheten, sich
          anzuschließen, um die Beduinenstämme in den
          entlegensten Bezirken zur Ablegung der so kurzen
          Bekenntnisformel: „Es gibt nur einen Gott und
          Muhammed ist sein Prophet“, wie zur Zahlung der
          gering bemessenen und schonend erhobenen Armensteuer zu
          veranlassen und damit das Anteilrecht an stetig
          wachsenden Beuteerträgen einzutauschen. Auch
          die stolze Aristokratie von Mekka, die in ihrem Herzen
          immer nur das goldene Kalb angebetet, hat sich jetzt
          formell nach und nach zur neuen Religion bekannt. Hatte
          doch der Prophet bei seinem militärischen Besuch in
          Mekka selbst die noch ungläubigen Koreischiten
          mit Geschenken förmlich überhäuft,
          „um ihre Herzen zu besänftigen“, wie der
          Koran sich dazu äußert. So war es für die
          Mekkaner nicht schwer, zu erkennen, daß
          mit Muhammed mehr zu verdienen war, als
          gegen ihn. Und mit dieser Einsicht war
          merkwürdiger Weise immer die „göttliche
          Berufung zum wahren Glauben“ verbunden.
gläubigen, bis sie Euch
          demütig die Steuer zahlen!“ Aber weil
          damit die Sache der Religion die Sache des gemeinsamen
          rücksichtslosen Erwerbs geworden war, konnte jetzt
          der Kern der niemals wankenden Strenggläubigen (der
          Anssars und der Mohadshirs) von der großen
          Masse der immer beutehungrigen Beduinen
          umschlossen werden, um die erobernden Heere bald
          lawinenartig anwachsen zu lassen. Schon genügte die
          einfache Aufforderung des Propheten, sich
          anzuschließen, um die Beduinenstämme in den
          entlegensten Bezirken zur Ablegung der so kurzen
          Bekenntnisformel: „Es gibt nur einen Gott und
          Muhammed ist sein Prophet“, wie zur Zahlung der
          gering bemessenen und schonend erhobenen Armensteuer zu
          veranlassen und damit das Anteilrecht an stetig
          wachsenden Beuteerträgen einzutauschen. Auch
          die stolze Aristokratie von Mekka, die in ihrem Herzen
          immer nur das goldene Kalb angebetet, hat sich jetzt
          formell nach und nach zur neuen Religion bekannt. Hatte
          doch der Prophet bei seinem militärischen Besuch in
          Mekka selbst die noch ungläubigen Koreischiten
          mit Geschenken förmlich überhäuft,
          „um ihre Herzen zu besänftigen“, wie der
          Koran sich dazu äußert. So war es für die
          Mekkaner nicht schwer, zu erkennen, daß
          mit Muhammed mehr zu verdienen war, als
          gegen ihn. Und mit dieser Einsicht war
          merkwürdiger Weise immer die „göttliche
          Berufung zum wahren Glauben“ verbunden.
          § 10. Der Erfolg, der ja der Gott nicht nur der
          Asiaten ist, war damit zunächst an die
          Fahne des Propheten geknüpft worden. Es ist ihm die
          nationale Einigung der Araber in überraschend kurzer
          Zeit geglückt. Aber nicht auf den Schlachtfeldern
          von Syrien und Persien, sondern bei der Verteilung
          der hier gewonnenen, fast unermeßlichen Beute ist
          die Vielheit der arabischen Stämme zu einer
          staatlichen Einheit  zusammengeschweißt worden. Der
          Politiker Muhammed hat auf solche Weise in
          kurzer Zeit Erstaunliches erreicht. Aber der
          Prophet Muhammed ist damit von der Höhe
          seiner Gotteserkenntnis und der sozialen Gerechtigkeit in
          das niedrige Gebiet der Organisation des gewaltsamen
          Erwerbs hinabgestiegen. Es nutzte wenig, dem groß
          angelegten Raubzuge das Mäntelchen des
          „heiligen Krieges“ umzuhängen. Die
          Mehrzahl der Streiter und die besten Feldherren
          kümmerten sich wenig um den ganzen Islam. Ihnen war
          es lediglich um Beute zu tun. Ihr Säbel war ihr
          Koran, ihre Geldbörse ihre Sunna. Wie bald wird
          deshalb das Bekenntnis zum neuen Glauben lediglich an der
          Pünktlichkeit der übernommenen Zahlungen
          gemessen. Es konnte das Verwerfliche des ganzen
          Unternehmens nur wenig mildern, daß die eroberte
          Beute nach der persönlichen Beteiligung am Kampfe
          zur Verteilung kam und daß z. B. Soldaten, welche
          vor den Feind geführt wurden und nicht
          kämpften, ihren Anspruch auf Beuteanteil verloren
          haben.
          zusammengeschweißt worden. Der
          Politiker Muhammed hat auf solche Weise in
          kurzer Zeit Erstaunliches erreicht. Aber der
          Prophet Muhammed ist damit von der Höhe
          seiner Gotteserkenntnis und der sozialen Gerechtigkeit in
          das niedrige Gebiet der Organisation des gewaltsamen
          Erwerbs hinabgestiegen. Es nutzte wenig, dem groß
          angelegten Raubzuge das Mäntelchen des
          „heiligen Krieges“ umzuhängen. Die
          Mehrzahl der Streiter und die besten Feldherren
          kümmerten sich wenig um den ganzen Islam. Ihnen war
          es lediglich um Beute zu tun. Ihr Säbel war ihr
          Koran, ihre Geldbörse ihre Sunna. Wie bald wird
          deshalb das Bekenntnis zum neuen Glauben lediglich an der
          Pünktlichkeit der übernommenen Zahlungen
          gemessen. Es konnte das Verwerfliche des ganzen
          Unternehmens nur wenig mildern, daß die eroberte
          Beute nach der persönlichen Beteiligung am Kampfe
          zur Verteilung kam und daß z. B. Soldaten, welche
          vor den Feind geführt wurden und nicht
          kämpften, ihren Anspruch auf Beuteanteil verloren
          haben.
          Zur segenbringenden produktiven Arbeit wurde deshalb
          der gewaltsame Raub doch nicht.
          Unversöhnt und
          unversöhnlich standen innerhalb der
          Gemeinde um Muhammed die
          Strenggläubigen und die
          Glaubenslosen, die streng rechtlichen
          Idealisten und die habgierigen Raubtiere in
          Menschengestalt neben einander. Der Prophet selbst
          war so sehr ein sündiger Mensch geblieben, daß
          er sich nicht scheute, unbequeme Gegner durch
          Meuchelmörder beseitigen zu lassen. Nach seiner
          Religion war der Wucher verboten, die Unterstützung
          der Armen und Kranken, wie die milde Behandlung der
          Sklaven eine ernste Pflicht, aber der im Großen
          organisierte Raubmord bildete die weitaus wichtigste
          politische Aufgabe der Gemeinde der Gläubigen und
          der politische Meuchelmord war zum Mindesten gestattet.
          Nicht das soziale Recht zum  Schutze der
          Arbeit gegen den Wucher jeder Art, sondern das
          Kriegsrecht als Rechtsordnung des gemeinsamen Erwerbs
          durch Gewaltakte war der weitaus wichtigste Teil der
          ganzen muhammedanischen Rechtsordnung. Das alles
          mußte zu einem Ende mit Schrecken
          führen, wenn auch zeitweilig noch so
          glänzende Erfolge vorausgingen. Bevor wir jedoch den
          ebenso verwickelten wie interessanten Prozeß der
          Auflösung der arabisch-islamischen Weltherrschaft
          kennen lernen, soll hier der Verlauf der großen
          Eroberungszüge mit den Kennzeichen der
          Blüteperiode der islamischen Kultur betrachtet
          werden.
 Schutze der
          Arbeit gegen den Wucher jeder Art, sondern das
          Kriegsrecht als Rechtsordnung des gemeinsamen Erwerbs
          durch Gewaltakte war der weitaus wichtigste Teil der
          ganzen muhammedanischen Rechtsordnung. Das alles
          mußte zu einem Ende mit Schrecken
          führen, wenn auch zeitweilig noch so
          glänzende Erfolge vorausgingen. Bevor wir jedoch den
          ebenso verwickelten wie interessanten Prozeß der
          Auflösung der arabisch-islamischen Weltherrschaft
          kennen lernen, soll hier der Verlauf der großen
          Eroberungszüge mit den Kennzeichen der
          Blüteperiode der islamischen Kultur betrachtet
          werden.
          
          § 11. Das muhammedanische
          Kriegsrecht läßt sich etwa in folgende
          Sätze zusammenfassen: Die wehrfähigen
          Männer in Waffen werden getötet, Frauen und
          Kinder als Sklaven mit der gesamten beweglichen Habe
          weggeführt. Die Bauern werden geschont. Die
          Ländereien von Grundeigentümern, welche im
          Kampf gegen den Islam gefallen oder landesflüchtig
          geworden sind, werden konfisziert und als
          Staatsdomänen behandelt. Den
          Bauern bleibt ihr
          Grundeigentum, doch übt der Sieger das Recht,
          so viel Steuern von ihnen zu erheben, als sie tragen
          können. Zumeist werden die bereits vorhandenen
          Besteuerungsarten beibehalten. Die Grundeigentümer
          zahlen die Grundsteuer (charag) und mit der
          übrigen Bevölkerung die Kopfsteuer
          (gizja), beide entsprechen dem tributum soli und tributum
          capitis der Römer. In Ländern mit
          Goldwährung (Aegypten und Syrien) zahlten als
          Kopfsteuer alle erwachsene männliche Personen
          jährlich 40 Frs., in Ländern mit
          Silberwährung (Mesopotamien, Ostarabien, Persien)
          zahlten die Reichen jährlich 80, die mittlere Klasse
          40, die Armen 20 Frs. In Aegypten gab es 8 Millionen
          Kopfsteuerzahler à 40 Frs., welche für
          richtige Steuerzahlung sichtbare bleierne Kontrollmarken
          am Halse trugen. In Babylonien wurden nach der  Eroberung 550'000
          Kopfsteuerpflichtige gezählt.
          Zölle und
          Verbrauchsabgaben wurden abgeschafft und
          Freihandel und
          Freizügigkeit allgemein
          eingeführt. Soweit als irgend angängig, blieb
          den Besiegten die lokale und kommunale
          Selbstverwaltung. Die gesamte
          Staatsbuchhaltung wurde zunächst nicht arabischen
          Händen, sondern Angehörigen der besiegten
          Völker anvertraut. So gab es in den byzantinischen
          Provinzen, in Persien, Aegypten und Syrien griechische
          Christen als Staatsbuchhalter, während in Babylonien
          und Mesopotamien Priester mit dieser Aufgabe betraut
          wurden. In den persischen Gebieten blieb wie vorher der
          persische Rittergutsbesitzer (Dihkan) mit der
          Steuereinhebung beauftragt. Angehörige der Besiegten
          finden wir auch als Polizeisoldaten verwendet. In
          den eroberten Gebieten war es den Arabern verboten,
          Grundbesitz zu erwerben. Andererseits wurden die
          Christen und Juden aus Arabien
          ausgewiesen, so daß das Stammland
          ausschließlich den Arabern reserviert blieb. Der
          Araber sollte nur als Eroberer, Regent und
          Regierungsgehilfe in den neuen Ländern erscheinen.
          Es blieb Sache der Besiegten, für die Herren des
          Landes zu erwerben und zu produzieren.
 Eroberung 550'000
          Kopfsteuerpflichtige gezählt.
          Zölle und
          Verbrauchsabgaben wurden abgeschafft und
          Freihandel und
          Freizügigkeit allgemein
          eingeführt. Soweit als irgend angängig, blieb
          den Besiegten die lokale und kommunale
          Selbstverwaltung. Die gesamte
          Staatsbuchhaltung wurde zunächst nicht arabischen
          Händen, sondern Angehörigen der besiegten
          Völker anvertraut. So gab es in den byzantinischen
          Provinzen, in Persien, Aegypten und Syrien griechische
          Christen als Staatsbuchhalter, während in Babylonien
          und Mesopotamien Priester mit dieser Aufgabe betraut
          wurden. In den persischen Gebieten blieb wie vorher der
          persische Rittergutsbesitzer (Dihkan) mit der
          Steuereinhebung beauftragt. Angehörige der Besiegten
          finden wir auch als Polizeisoldaten verwendet. In
          den eroberten Gebieten war es den Arabern verboten,
          Grundbesitz zu erwerben. Andererseits wurden die
          Christen und Juden aus Arabien
          ausgewiesen, so daß das Stammland
          ausschließlich den Arabern reserviert blieb. Der
          Araber sollte nur als Eroberer, Regent und
          Regierungsgehilfe in den neuen Ländern erscheinen.
          Es blieb Sache der Besiegten, für die Herren des
          Landes zu erwerben und zu produzieren.
          Neben der gewaltsamen Unterwerfung durch
          die Schärfe des Säbels kannte Muhammed auch die
          freiwillige Unterwerfung, für welche
          besondere Kapitulationen vereinbart wurden,
          die naturgemäß der kriegerischen Eroberung
          gegenüber gewisse Begünstigungen geboten
          haben.
          Weiter spielte die Bekehrung zum wahren
          Glauben eine einschneidende Rolle. Wer die kurze einfache
          Bekenntnisformel: „Es gibt nur einen Gott und
          Muhammed ist sein Prophet“, aussprach und die
          üblichen Verpflichtungen zu erfüllen bereit
          war, gehörte zur Gemeinde. Eingegliedert wurde er in
          das streng nach Familien und Stämmen organisierte
          Volk durch seine Annahme als Klient von
           einem der arabischen
          Familienhäupter. Er gewann damit seinen Anteil
          an der Kriegsbeute, sobald er sich dem
          Kriegsdienst widmete. Unter allen Umständen
          partizipierte er an dem Ueberschuß der
          arabischen Staatskasse. Er war damit von der Kopfsteuer
          befreit. Aber auf sein Grundeigentum mußte er
          verzichten; das fiel im Interesse
          der Steuererträge an seine bisherigen
          Religionsgenossen zurück.
 einem der arabischen
          Familienhäupter. Er gewann damit seinen Anteil
          an der Kriegsbeute, sobald er sich dem
          Kriegsdienst widmete. Unter allen Umständen
          partizipierte er an dem Ueberschuß der
          arabischen Staatskasse. Er war damit von der Kopfsteuer
          befreit. Aber auf sein Grundeigentum mußte er
          verzichten; das fiel im Interesse
          der Steuererträge an seine bisherigen
          Religionsgenossen zurück.
          Endlich gehören hierher die bereits
          erwähnten Bestimmungen über Beute- und
          Staatseinkommenverteilung: 1⁄5 der Kriegsbeute gehörte dem
          Staat, 4⁄5 wurde unter die
          beteiligten Kriegsleute verteilt. Die Steuererträge
          kamen nach Abzug der Verwaltungskosten der betreffenden
          Provinzen ebenfalls in die Kasse der Zentralregierung,
          aus welcher die Ueberschüsse als Staatsdotationen an
          die Mitglieder des arabischen Volkes bis auf den
          Säugling an der Mutter Brust und den Klienten und
          gläubigen Sklaven verteilt wurden.
          § 12. Um für die siegende Macht dieses
          Kriegsrechts einigermaßen eine richtige Vorstellung
          zu gewinnen, wird es notwendig sein, sich die
          ökonomischen Verhältnisse zu
          vergegenwärtigen, wie sie zu Beginn der
          islamischen Eroberungen waren.
          Die ahnenstolze Aristokratie von Mekka bezog ihr
          Haupteinkommen wahrscheinlich aus dem Karawanenhandel.
          Man rechnete dabei damals auf einen Gewinn von 50 bis
          100% des angelegten Kapitals.
          Eine Karawane repräsentierte den Wert von 5 bis
          800'000 Frs. An einer solchen Karawane war eine Reihe von
          Geschäftsleuten beteiligt. Nicht jede Karawane kam
          unberaubt an ihrem Reiseziele an. Die häufigen
          Stammesfehden werden gewiß den geschäftlichen
          Verkehr auch nicht gefördert haben. Trotzdem waren
          diese Verhältnisse im Ganzen nicht ärmlich zu
          nennen. Die Silberwährung hatte seit längerer
          Zeit Geltung. Aber  die
          Geldbeträge, mit denen auch die Reichsten im Lande
          rechneten, waren nicht groß in unserem Sinne. Die
          höchste Ziffer, für welche die arabische
          Sprache ein einheitliches Wort besaß, war 1000. Der
          sprachliche Ausdruck für jede höhere Ziffer
          mußte durch Zusammensetzung gefunden werden. So
          bezeichnete man eine Million mit Tausend mal Tausend. Als
          nach den siegreichen Schlachten in Syrien einem Araber
          von seinen Landsleuten Vorhaltungen darüber gemacht
          wurden, daß er seinen Beuteanteil mit nur 1000 Frs.
          viel zu billig veräußert habe, soll dieser
          ganz erstaunt ausgerufen haben: „Ich wußte
          garnicht, daß es eine höhere Ziffer als 1000
          gibt!“ Als zu Beginn der Regierung des Nachfolgers
          des Propheten (Chalife) Omar I. (644—656 n. Chr.,
          22—34 H.) der Statthalter von Bahram 1⁄2 Million Franken nach Medina zur
          Zentralkasse brachte, die augenblicklich keine Ausgaben
          hatte, weshalb der ganze Betrag zur Verteilung an das
          arabische Volk bereit stand, fragte der Chalife in seiner
          Verlegenheit die Gemeinde, ob er ihnen das viele Geld mit
          Metzen zumessen solle? Ein Mann aus dem Volke habe dann
          mitgeteilt, daß die Perser ihren Staatsschatz durch
          einen Dywan (Rechnungshof) in Ordnung halten
          ließen, so solle man es auch machen. Das war die
          Zentralregierung zu einer Zeit, als gerade ein
          Ländergebiet von der Ausdehnung des Deutschen
          Reiches und Oesterreich-Ungarns erobert wurde. Noch war
          der bescheidene Staatsschatz in der Privatwohnung des
          Chalifen aufbewahrt. Noch trieb der Chalife
          persönlich die jungen Kamele auf die Staatsweiden.
          Noch hatte der Chalife nicht einmal ein besonderes
          Einkommen in seiner Eigenschaft als Regent. 6000 Frk.,
          welche der erste Chalife Abu Bakr (632—634 n. Chr.,
           10—12 H. ) aus der Staatskasse in
          einer Notlage entliehen, mußten seinem Auftrage
          gemäß seine Verwandten nach seinem Tode
          zurückerstatten. Derselbe Abu Bakr hatte in seiner
          zweijährigen Regierungszeit die
 die
          Geldbeträge, mit denen auch die Reichsten im Lande
          rechneten, waren nicht groß in unserem Sinne. Die
          höchste Ziffer, für welche die arabische
          Sprache ein einheitliches Wort besaß, war 1000. Der
          sprachliche Ausdruck für jede höhere Ziffer
          mußte durch Zusammensetzung gefunden werden. So
          bezeichnete man eine Million mit Tausend mal Tausend. Als
          nach den siegreichen Schlachten in Syrien einem Araber
          von seinen Landsleuten Vorhaltungen darüber gemacht
          wurden, daß er seinen Beuteanteil mit nur 1000 Frs.
          viel zu billig veräußert habe, soll dieser
          ganz erstaunt ausgerufen haben: „Ich wußte
          garnicht, daß es eine höhere Ziffer als 1000
          gibt!“ Als zu Beginn der Regierung des Nachfolgers
          des Propheten (Chalife) Omar I. (644—656 n. Chr.,
          22—34 H.) der Statthalter von Bahram 1⁄2 Million Franken nach Medina zur
          Zentralkasse brachte, die augenblicklich keine Ausgaben
          hatte, weshalb der ganze Betrag zur Verteilung an das
          arabische Volk bereit stand, fragte der Chalife in seiner
          Verlegenheit die Gemeinde, ob er ihnen das viele Geld mit
          Metzen zumessen solle? Ein Mann aus dem Volke habe dann
          mitgeteilt, daß die Perser ihren Staatsschatz durch
          einen Dywan (Rechnungshof) in Ordnung halten
          ließen, so solle man es auch machen. Das war die
          Zentralregierung zu einer Zeit, als gerade ein
          Ländergebiet von der Ausdehnung des Deutschen
          Reiches und Oesterreich-Ungarns erobert wurde. Noch war
          der bescheidene Staatsschatz in der Privatwohnung des
          Chalifen aufbewahrt. Noch trieb der Chalife
          persönlich die jungen Kamele auf die Staatsweiden.
          Noch hatte der Chalife nicht einmal ein besonderes
          Einkommen in seiner Eigenschaft als Regent. 6000 Frk.,
          welche der erste Chalife Abu Bakr (632—634 n. Chr.,
           10—12 H. ) aus der Staatskasse in
          einer Notlage entliehen, mußten seinem Auftrage
          gemäß seine Verwandten nach seinem Tode
          zurückerstatten. Derselbe Abu Bakr hatte in seiner
          zweijährigen Regierungszeit die  Ueberschüsse aus der Staatskasse
          noch gruppenweise an je 100 Personen ausgezahlt. Die
          Summen, welche verteilt wurden, waren noch klein. Im
          ersten Jahre gab es 10, im zweiten 20 Frk. pro Kopf,
          Männer, Frauen, Kinder, Klienten und Sklaven gleich
          gerechnet. Wie mußte die als lösbar erkannte
          Aufgabe, die fabelhaften Schätze von Babylonien,
          Syrien, Aegypten und Persien zu erobern, auf die
          Spannkraft dieses Volkes einwirken?
 Ueberschüsse aus der Staatskasse
          noch gruppenweise an je 100 Personen ausgezahlt. Die
          Summen, welche verteilt wurden, waren noch klein. Im
          ersten Jahre gab es 10, im zweiten 20 Frk. pro Kopf,
          Männer, Frauen, Kinder, Klienten und Sklaven gleich
          gerechnet. Wie mußte die als lösbar erkannte
          Aufgabe, die fabelhaften Schätze von Babylonien,
          Syrien, Aegypten und Persien zu erobern, auf die
          Spannkraft dieses Volkes einwirken?
          § 13. Anders lagen die Verhältnisse
          bei jenen Ländern, über welche das ganze
          Ungewitter hereinbrechen sollte. In
          Persien herrschten seit Jahren
          Thronstreitigkeiten, welche schon zu lange in blutige
          Bürgerkriege ausgeartet waren. Das darunter schwer
          leidende Volk sehnte sich nach Frieden. Der Kaiser
          Heraklius von Byzanz war fast immer in
          großer Geldverlegenheit, so daß die ohnehin
          nur mit 80—120 Frs. jährlich bezahlten
          Söldner von Zeit zu Zeit überhaupt keine
          Löhnung erhielten und dann in der Regel sich
          weigerten, gegen den Feind zu kämpfen, bis die
          rückständigen Lohnzahlungen ausgeglichen waren.
          Früher aus der Heimat ausgewanderte arabische
          Stämme saßen durch Mesopotamien bis nach
          Kleinasien zerstreut und waren zumeist zum Christentume
          übergetreten. Aber dieses Christentum
          war unter dem Einfluß des Bilderstreites in Byzanz
          so sehr zu einem Götzendienste
          entartet, daß das einfache klare
          Gottesbekenntnis des Islam dem Volke als ein
          religiöser Fortschritt erscheinen mußte, den
          als solchen die christlichen Araber um so leichter
          erkannten, je günstiger die klingenden Bedingungen
          waren, welche von den siegreich vordringenden islamischen
          Heeren ihnen für ihren Anschluß geboten
          wurden. In Sicilien hausten die
          byzantinischen Steuerzahler [Steuereintreiber] in einer so fürchterlichen
          Weise, daß die Einwohner sich empörten und die
          Muhammedaner zur Befreiung herbeiriefen. In
          Spanien war man gerade  damit
          beschäftigt, die zahlreichen Juden mit Gewalt zum
          Christentume zu bekehren. Jeder Abfall von der
          Zwangsreligion wurde bei ihnen mit Geißelung und
          Vermögenskonfiskation bestraft. Dazu kam eine
          maßlose Bedrückung der Bauern durch die
          Geistlichkeit und den gothischen Adel, der unter sich
          wieder fortwährend in Fehde lag. Auch hier war die
          herrschende Klasse der schlimmste Feind des Landes und
          die Masse der einheimischen Bevölkerung hat den Sieg
          der islamischen Waffen als eine Befreiung aus schwerer
          Not empfunden.
 damit
          beschäftigt, die zahlreichen Juden mit Gewalt zum
          Christentume zu bekehren. Jeder Abfall von der
          Zwangsreligion wurde bei ihnen mit Geißelung und
          Vermögenskonfiskation bestraft. Dazu kam eine
          maßlose Bedrückung der Bauern durch die
          Geistlichkeit und den gothischen Adel, der unter sich
          wieder fortwährend in Fehde lag. Auch hier war die
          herrschende Klasse der schlimmste Feind des Landes und
          die Masse der einheimischen Bevölkerung hat den Sieg
          der islamischen Waffen als eine Befreiung aus schwerer
          Not empfunden.
          § 14. Der Siegeszug des Islam
          mußte unter solchen äußeren und inneren
          Verhältnissen alle Erwartungen weit
          übertreffen.
          In der Entscheidungsschlacht bei Bedr
          (624 n. Chr., 2 H.) in welcher die junge Gemeinde um
          Muhammed ihre Existenz gegen die mekkanische Aristokratie
          zu verteidigen hatte, kämpften 306 Mann mit 70
          Kamelen und 2 Pferden bei Muhammed gegen 950 Mann mit 700
          Kamelen und 100 Pferden auf der feindlichen Seite. In der
          Schlacht bei Akraba (633 n. Chr., 11 H.),
          als ein Jahr nach des Propheten Tod die erwachten
          Abtrennungsgelüste unter den arabischen Stämmen
          niedergeschlagen und die nationale Einheit mit
          Waffengewalt wieder hergestellt wurde, kämpften 4000
          Muslims gegen 8000 Gegner. In der
          Entscheidungsschlacht gegen die Byzantiner in
          Syrien am Hiromax im Jahre 636 n. Chr., 15. H. und
          also nur drei Jahre nach der Schlacht bei Akraba
          kämpften 25 bis 30'000 Muslims gegen 80'000
          Byzantiner und Armenier. Nur ein Jahr später in der
          Schlacht bei Kadesia, welche das Perserreich
          unterworfen hat, standen 38'000 Araber 80'000 Persern
          gegenüber. Im Jahr 636 n. Chr. sollen höchstens
          80'000 Mann außerhalb der Heimat gestanden sein.
          Für das Jahr 650 n. Chr. wird das Heer des Islam auf
          250'000 bis 300'000 Mann geschätzt. Im  Jahre 651 n. Chr., also 29 Jahre,
          nachdem Muhammed aus Mekka nach Medina flüchten
          mußte, um sein Leben zu retten, beherrschte der
          Islam ein Gebiet in der Ausdehnung von etwa der
          Hälfte Europas; 120 Jahre später umfaßte
          das arabisch-islamische Weltreich ein Gebiet von der
          Ausdehnung des europäischen Kontinentes und noch
          einmal die Fläche von Deutschland und
          Oesterreich-Ungarn hinzugerechnet. Von den Säulen
          des Herkules und dem großen Ozean des Westens bis
          zu den fabelhaften Meeren der Finsternis, wie die Araber
          den indischen Ozean nannten, dehnte sich der von ihnen
          unterjochte Teil der Erde aus.
 Jahre 651 n. Chr., also 29 Jahre,
          nachdem Muhammed aus Mekka nach Medina flüchten
          mußte, um sein Leben zu retten, beherrschte der
          Islam ein Gebiet in der Ausdehnung von etwa der
          Hälfte Europas; 120 Jahre später umfaßte
          das arabisch-islamische Weltreich ein Gebiet von der
          Ausdehnung des europäischen Kontinentes und noch
          einmal die Fläche von Deutschland und
          Oesterreich-Ungarn hinzugerechnet. Von den Säulen
          des Herkules und dem großen Ozean des Westens bis
          zu den fabelhaften Meeren der Finsternis, wie die Araber
          den indischen Ozean nannten, dehnte sich der von ihnen
          unterjochte Teil der Erde aus.
          § 15. Als Organisator dieses
          Weltreiches haben wir den bereits wiederholt
          genannten Chalifen Omar I. zu bezeichnen.
          Die aus der Gemeinde gegebene Anregung, eine
          geordnete Staatsbuchhaltung
          einzuführen, fand bei ihm volle Beachtung. Nach
          byzantinischem Muster wurde ein
          Volksregister angelegt, in welches die
          Gliederung des Volkes nach Stämmen und Familien mit
          Klienten und Sklaven, mit Geburten und Todesfällen
          und mit den Freilassungen der Sklaven u.s.w. eingetragen wurden. An Hand dieser
          Bevölkerungsliste setzte Omar die Höhe
          der Staatsdotationen fest und zwar nach
          Maßgabe der Verdienste des Einzelnen um den Islam.
          An erster Stelle wurden die Witwen des Propheten bedacht
          mit einem Jahresgehalt von 100'000 bis 120'000 Frs. Die
          noch lebenden Teilnehmer an der Schlacht bei Bedr
          erhielten 50'000 Frs. jährlich. Weitere Gruppen der
          Bevölkerung wurden mit 40'000, 30'000, 20'000, 5000,
          3000 und 2000 Frs. bedacht. Je 1000 Frs. jährlich
          gehörten für jedes Kind an der Brust und
          für Sklaven und Klienten. Außerdem erhielt
          jeder Einwohner von Medina monatlich zwei Metzen Weizen
          und zwei Maß Essig in natura geliefert. Jeder
          Soldat bekam — statt nur 80 bis  120 Frs. jährlich, wie in Byzanz
          — 2000 Frs. jährlich, dazu monatlich in der
          Provinz Irak 15 Sad Weizen und ein bestimmtes Quantum
          Schmalz, in Aegypten 15 Sad Weizen und ein bestimmtes
          Quantum Schmalz, Honig und Linnen, in Syrien und
          Mesopotamien 2 Modd Weizen und je drei Kisten Oel,
          Schmalz und Honig. Endlich gehörte dem Soldaten der
          entsprechende Anteil an 4⁄5
          der eroberten Beute. Nach dem entscheidenden
          Siege bei Kadesia über die Perser wurde der Wert der
          in Ktesiphon allein eroberten Schätze
          amtlich auf 900 Millionen Franken ermittelt. Auf jeden
          Soldaten sind davon 12'000 Frs. entfallen. Jetzt
          verfügte der gewöhnliche Mann unter den Arabern
          über ein so großes Einkommen, wie es vor
          Muhammed kaum die reichsten Leute in Mekka gehabt haben.
          Unter solchen Umständen wird es gewiß
          begreiflich, daß das siegreiche Heer der
          Araber ebenso lawinenartig angewachsen ist, wie in
          den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die
          Goldsucherstädte auf den besten aluvialen
          Goldfeldern in Nordamerika und Australien.
 120 Frs. jährlich, wie in Byzanz
          — 2000 Frs. jährlich, dazu monatlich in der
          Provinz Irak 15 Sad Weizen und ein bestimmtes Quantum
          Schmalz, in Aegypten 15 Sad Weizen und ein bestimmtes
          Quantum Schmalz, Honig und Linnen, in Syrien und
          Mesopotamien 2 Modd Weizen und je drei Kisten Oel,
          Schmalz und Honig. Endlich gehörte dem Soldaten der
          entsprechende Anteil an 4⁄5
          der eroberten Beute. Nach dem entscheidenden
          Siege bei Kadesia über die Perser wurde der Wert der
          in Ktesiphon allein eroberten Schätze
          amtlich auf 900 Millionen Franken ermittelt. Auf jeden
          Soldaten sind davon 12'000 Frs. entfallen. Jetzt
          verfügte der gewöhnliche Mann unter den Arabern
          über ein so großes Einkommen, wie es vor
          Muhammed kaum die reichsten Leute in Mekka gehabt haben.
          Unter solchen Umständen wird es gewiß
          begreiflich, daß das siegreiche Heer der
          Araber ebenso lawinenartig angewachsen ist, wie in
          den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die
          Goldsucherstädte auf den besten aluvialen
          Goldfeldern in Nordamerika und Australien.
          § 16. Den besten Herrschern des
          arabisch-islamischen Weltreiches kann man die
          Anerkennung nicht versagen, daß sie in einer Reihe
          von Maßnahmen nach großen
          wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten gehandelt
          haben. Als unmittelbar nach der Eroberung von Persien,
          Syrien und Aegypten im Jahre 639 n. Chr., 18 H. eine
          Hungersnot mit einer verheerenden Seuche in Arabien
          ausbrach, die auch Syrien heimsuchte, ließ Omar I.
          in weniger als einem Jahre eine Art
          Suezkanal herstellen, indem er durch den
          Landstreifen zwischen Kairo und dem roten Meere einen
          Kanal bauen ließ, auf welchem die mit Getreide
          beladenen Schiffe vom Nil direkt nach der arabischen
          Küste fahren konnten. Es wird berichtet, daß
          von da ab die Getreidepreise in Mekka und Medina auf das
          Niveau der  ägyptischen Getreidepreise gefallen seien. Hier
          blieb die Brotversorgung der Hauptstadt Medina von
          Aegypten abhängig. Durch die Verlegung der
          Zentralregierung nach Damaskus (661 n. Chr.) in
          die so fruchtbare Ebene des wasserreichen Baroda wurde
          die Brotversorgung der Residenzstadt mehr in
          unmittelbarer Nähe gesichert, bis endlich die
          Residenz der Abbasiden (750 n. Chr.)
          nach Bagdad mitten in die eigentliche
          Kornkammer des Reiches wanderte. Auch im
          arabisch-islamischen Weltreiche ist also — wie
          einst in Rom — die Reichsregierung dem Getreide
          nachgezogen.
          ägyptischen Getreidepreise gefallen seien. Hier
          blieb die Brotversorgung der Hauptstadt Medina von
          Aegypten abhängig. Durch die Verlegung der
          Zentralregierung nach Damaskus (661 n. Chr.) in
          die so fruchtbare Ebene des wasserreichen Baroda wurde
          die Brotversorgung der Residenzstadt mehr in
          unmittelbarer Nähe gesichert, bis endlich die
          Residenz der Abbasiden (750 n. Chr.)
          nach Bagdad mitten in die eigentliche
          Kornkammer des Reiches wanderte. Auch im
          arabisch-islamischen Weltreiche ist also — wie
          einst in Rom — die Reichsregierung dem Getreide
          nachgezogen.
          Während die arabischen Eroberer die
           städtische
          Bevölkerung zumeist die ganze Strenge ihres
           Kriegsrechtes fühlen ließen,
          haben sie ausnahmslos den Bauer schonend
          behandelt. In einer Reihe von Fällen
          hören wir von großartigen
          Bewässerungsanlagen, welche die
          arabische Regierung im Interesse der Landkultur,
          später auch im Interesse der Wasserversorgung der
          Städte habe ausführen lassen. Den Landwirten
          wurden aus der Staatskasse Millionen als
          Meliorationskredit zinsfrei zur
          Verfügung gestellt. Die Blüte, welche das
          landwirtschaftliche Gewerbe unter der
          arabisch-islamischen Regierung erreichte,
          ist selbst in Spanien und Sicilien inzwischen nicht
          wieder erreicht worden. Wie man auch die Literatur der
          Landwirtschaft zu fördern bemüht war, geht
          daraus hervor, daß schon damals ein
          landwirtschaftlicher Kalender mit Angaben
          über die landwirtschaftlichen Arbeiten zu den
          verschiedenen Jahreszeiten erschienen ist.
          § 17. Wie müssen Handel und
          Gewerbe sich entfaltet haben, nachdem
          innerhalb dieses gewaltigen Ländergebiets
          uneingeschränkter Freihandel und volle
          Freizügigkeit zur Geltung kamen! Schon unter den
          ersten Omaijaden-Chalifen Moawija und Addalmelik
          (661—705 n. Chr., 39 bis 83 H.) ist man allgemeiner
          zur Goldwährung über gegangen und hat eine geordnete
          Prägung arabischer Goldmünzen begonnen.
          Die vorgeschriebenen Pilgerfahrten nach Mekka haben auch
          jetzt den Verkehr zwischen den entlegensten Gebieten des
          Reiches wesentlich gefördert. Die Organisation
          der Reichspost soll 930 Stationen gezählt und
          in der Provinz Irak allein dem Staate jährlich vier
          Millionen Franken gekostet haben. Die arabischen
          Reichspostkursbücher sind unsere ersten
          geographischen Werke geworden. Die
          Leistungsfähigkeit dieser Reichspostanstalt war eine
          so hervorragende, daß sie gelegentlich den
          Transport ganzer Heeresabteilungen von Bassra und Kufa
          nach den indischen Provinzen übernehmen konnte. Wir
          haben in der Blütezeit des arabischen Welthandels
          zweifelsohne mit einem jährlichen Geldumsatze
          von Milliarden zu rechnen. Dementsprechend finden
          wir eine umfassende Ausbildung des
          Zahlungsverkehrs in diesem Weltreich mit
          Geldanweisungen, aber auch mit einem
          ausgedehnten Wechselverkehr, dementsprechend
          ein gut durchgebildetes Handels- und
          Wechselrecht.
gegangen und hat eine geordnete
          Prägung arabischer Goldmünzen begonnen.
          Die vorgeschriebenen Pilgerfahrten nach Mekka haben auch
          jetzt den Verkehr zwischen den entlegensten Gebieten des
          Reiches wesentlich gefördert. Die Organisation
          der Reichspost soll 930 Stationen gezählt und
          in der Provinz Irak allein dem Staate jährlich vier
          Millionen Franken gekostet haben. Die arabischen
          Reichspostkursbücher sind unsere ersten
          geographischen Werke geworden. Die
          Leistungsfähigkeit dieser Reichspostanstalt war eine
          so hervorragende, daß sie gelegentlich den
          Transport ganzer Heeresabteilungen von Bassra und Kufa
          nach den indischen Provinzen übernehmen konnte. Wir
          haben in der Blütezeit des arabischen Welthandels
          zweifelsohne mit einem jährlichen Geldumsatze
          von Milliarden zu rechnen. Dementsprechend finden
          wir eine umfassende Ausbildung des
          Zahlungsverkehrs in diesem Weltreich mit
          Geldanweisungen, aber auch mit einem
          ausgedehnten Wechselverkehr, dementsprechend
          ein gut durchgebildetes Handels- und
          Wechselrecht.
          Sogar ganz moderne Fragen, wie die
          Verstaatlichung der städtischen
          Grundrente finden wir im arabischen Weltreiche
          längst gelöst. Ein Abbasidenchalife Motasim
          fühlte sich in Bagdad nicht mehr behaglich und
          beschloß deshalb im Jahre 836 n. Chr. (221 H.) etwa
          15 Meilen stromaufwärts sich eine neue Residenzstadt
          zu bauen. So entsteht mit einem Aufwande von etwa 200
          Millionen Franken das neue prächtige
          Ssamarra mit seinen Staatspalästen
          für den Chalifen, für die Soldaten und für
          die Beamten. Im Stadtbauplan waren breite Straßen
          und große freie Plätze vorgesehen, von denen
          ein entsprechender Raum an die Kaufleute zum Aufstellen
          ihrer Verkaufsbuden vermietet wurden. Der Ertrag dieser
          staatlichen Grundstücksverpachtung soll dem Chalifen
          jährlich eine Einnahme von 10 Millionen Franken
          gebracht haben.
           Aus der staatlichen
          Finanzverwaltung ist m.W. nur einmal aus späterer Zeit die
          Aufnahme einer Staatsanleihe bekannt geworden. Als Regel
          galt für den guten Staatshaushaltsplan, keine
          Schulden zu machen, sondern einen
          möglichst großen Staatsschatz in
          barem Gelde anzusammeln. So hinterläßt der
          Chalif el Mansur (754 bis 775 n. Chr.) einen Staatsschatz
          von 960 Millionen Franken, Harûn Rashid (786 bis
          809 n. Chr.) einen solchen von 900 Millionen Franken. Der
          ausgezeichnete Chalife Abderrachmann III von Cordova (912
          bis 961 n. Chr.) hat sein jährliches Staatseinkommen
          von 125 Millionen Franken zu 1⁄3 für das Heer, zu 1⁄3 für allgemeine Kulturzwecke
          und zu 1⁄3 zur Ansammlung
          eines Staatsschatzes verwendet, dessen Höhe im Jahre
          951 n. Chr. die Summe von 400 Millionen Franken
          erreichte. Im Jahre 1903/4 hatte das heutige Spanien eine
          Staatseinnahme von rund 1 Milliarde Franken, wovon
          416 1⁄2 Millionen
          — oder nahezu die Hälfte — im Dienste
          der rund 9 Milliarden betragenden Staatsschulden
          verausgabt wurden, während für Armee und Marine
          und für Zwecke der allgemeinen Kultur je etwa 174
          Millionen Franken Verwendung fanden.
 Aus der staatlichen
          Finanzverwaltung ist m.W. nur einmal aus späterer Zeit die
          Aufnahme einer Staatsanleihe bekannt geworden. Als Regel
          galt für den guten Staatshaushaltsplan, keine
          Schulden zu machen, sondern einen
          möglichst großen Staatsschatz in
          barem Gelde anzusammeln. So hinterläßt der
          Chalif el Mansur (754 bis 775 n. Chr.) einen Staatsschatz
          von 960 Millionen Franken, Harûn Rashid (786 bis
          809 n. Chr.) einen solchen von 900 Millionen Franken. Der
          ausgezeichnete Chalife Abderrachmann III von Cordova (912
          bis 961 n. Chr.) hat sein jährliches Staatseinkommen
          von 125 Millionen Franken zu 1⁄3 für das Heer, zu 1⁄3 für allgemeine Kulturzwecke
          und zu 1⁄3 zur Ansammlung
          eines Staatsschatzes verwendet, dessen Höhe im Jahre
          951 n. Chr. die Summe von 400 Millionen Franken
          erreichte. Im Jahre 1903/4 hatte das heutige Spanien eine
          Staatseinnahme von rund 1 Milliarde Franken, wovon
          416 1⁄2 Millionen
          — oder nahezu die Hälfte — im Dienste
          der rund 9 Milliarden betragenden Staatsschulden
          verausgabt wurden, während für Armee und Marine
          und für Zwecke der allgemeinen Kultur je etwa 174
          Millionen Franken Verwendung fanden.
          Daneben dürfen großartige
          Einrichtungen zu Gunsten der Armen,
          der Kranken und der Pilger
          nicht unerwähnt bleiben.
          § 18. Die Raschheit, mit welcher nach
          Beginn der arabischen Weltherrschaft große
          Städte aus der Erde wuchsen und die
          wirtschaftlichen Werte sich
          vervielfältigten, kann mit der besten
          modernen Entwickelungsperiode der Vereinigten Staaten von
          Nordamerika verglichen werden. Baßra
          und Kufa, welche erst etwa 640 n. Chr., 18
          H. als ständige Militärlager gegründet
          wurden, haben 30 Jahre später je eine
          Bevölkerung von 150'000 bis 200'000 Einwohner.
          Bagdad hat in kurzer Zeit eine Million
          Einwohner erreicht. Cordova „die helle
           Zierde der Welt, die junge herrliche
          Stadt, stolz auf ihre Wehrkraft, berühmt durch die
          Wonnen, die sie umschließt, strahlend im Vollbesitz
          aller Dinge“ — wie sie um das Jahr 960 n.
          Chr. die gelehrte Nonne Hrotswitha von
          Gandersheim gepriesen hat, beherbergte 1⁄2 Million Einwohner. Eine gleich
          hohe Einwohnerzahl hatte Damaskus unter den
          Omaijaden. Auch Kairo soll eine Million,
          Alexandrien 1⁄2
          Million Einwohner gehabt haben u.s.w. Ein Mann verkaufte an den ersten
          Omaijaden-Chalifen in Damaskus etwa 661 n. Chr.,
           39. H. ein Haus zum Preise von 60'000
          Frs. Als man ihm sagte, daß er damit sein Haus
          offenbar viel zu billig verkauft habe, antwortete er:
          „Ich habe dieses Haus kurz vor Muhammed um einen
          Schlauch Wein gekauft.“ Eben dieser nachmalige
          Chalife Moawija wurde vom Propheten „ein armer
          Schlucker“ genannt, weil er in Mekka nie einen
          Pfennig Geld in der Tasche hatte. Er brachte es als
          Chalife auf ein Jahreseinkommen von über 100
          Millionen Franken. In der besten Zeit erreichte das
          Chalifeneinkommen pro Jahr 300 bis 400 Millionen Franken
          und mehr. Die Mutter des Chalifen Harûn Rashid
          verfügte jährlich über ein Einkommen von
          160 Millionen Franken. Ein reicher Hashimide unter dem
          Chalifen Al Mahdy (775 bis 785 n. Chr.), in Baßra
          wohnhaft, hatte ein tägliches Einkommen von 100'000
          Frs., er soll 50'000 Klienten gehabt haben. Ein Juwelier
          schätzte selbst sein Vermögen auf 200 Millionen
          Franken ein. Unter Omar I. bezieht der Statthalter einer
          Provinz ein Jahresgehalt von 12'000 Frs., bald aber ist
          das Statthalter- und Ministereinkommen per Jahr auf drei
          und selbst auf 13 Millionen Franken gestiegen. Der
          Leibarzt des Chalifen Harûn Rashid erhielt
          jährlich 120'000 Frs. an Geld und 160'000 Frs. in
          Naturalien und Geschenken. Das Richtergehalt in Kairo
          betrug im Jahre 827 n. Chr. 48'000 Frs. per Jahr
          u.s.w. Mit diesen für uns heute
          noch vielfach
 Zierde der Welt, die junge herrliche
          Stadt, stolz auf ihre Wehrkraft, berühmt durch die
          Wonnen, die sie umschließt, strahlend im Vollbesitz
          aller Dinge“ — wie sie um das Jahr 960 n.
          Chr. die gelehrte Nonne Hrotswitha von
          Gandersheim gepriesen hat, beherbergte 1⁄2 Million Einwohner. Eine gleich
          hohe Einwohnerzahl hatte Damaskus unter den
          Omaijaden. Auch Kairo soll eine Million,
          Alexandrien 1⁄2
          Million Einwohner gehabt haben u.s.w. Ein Mann verkaufte an den ersten
          Omaijaden-Chalifen in Damaskus etwa 661 n. Chr.,
           39. H. ein Haus zum Preise von 60'000
          Frs. Als man ihm sagte, daß er damit sein Haus
          offenbar viel zu billig verkauft habe, antwortete er:
          „Ich habe dieses Haus kurz vor Muhammed um einen
          Schlauch Wein gekauft.“ Eben dieser nachmalige
          Chalife Moawija wurde vom Propheten „ein armer
          Schlucker“ genannt, weil er in Mekka nie einen
          Pfennig Geld in der Tasche hatte. Er brachte es als
          Chalife auf ein Jahreseinkommen von über 100
          Millionen Franken. In der besten Zeit erreichte das
          Chalifeneinkommen pro Jahr 300 bis 400 Millionen Franken
          und mehr. Die Mutter des Chalifen Harûn Rashid
          verfügte jährlich über ein Einkommen von
          160 Millionen Franken. Ein reicher Hashimide unter dem
          Chalifen Al Mahdy (775 bis 785 n. Chr.), in Baßra
          wohnhaft, hatte ein tägliches Einkommen von 100'000
          Frs., er soll 50'000 Klienten gehabt haben. Ein Juwelier
          schätzte selbst sein Vermögen auf 200 Millionen
          Franken ein. Unter Omar I. bezieht der Statthalter einer
          Provinz ein Jahresgehalt von 12'000 Frs., bald aber ist
          das Statthalter- und Ministereinkommen per Jahr auf drei
          und selbst auf 13 Millionen Franken gestiegen. Der
          Leibarzt des Chalifen Harûn Rashid erhielt
          jährlich 120'000 Frs. an Geld und 160'000 Frs. in
          Naturalien und Geschenken. Das Richtergehalt in Kairo
          betrug im Jahre 827 n. Chr. 48'000 Frs. per Jahr
          u.s.w. Mit diesen für uns heute
          noch vielfach  unerreichten
          Ziffern darf nicht etwa die Vorstellung verknüpft
          werden, es wäre damals alles ganz
          unverhältnismäßig teuerer gewesen, als
          heute. Denn diese Annahme wäre durchaus
          unzutreffend. Bei der Erbauung von Bagdad (763 n. Chr.)
          wurde nach Sprenger als Tagelohn für einen Arbeiter
          2 2⁄5 Pfg.,
          für einen Werkmeister und Aufseher 4 7⁄10 Pfg. gezahlt. Im Jahre 985
          n. Chr. kostete ein Essen in einem mit allem Komfort
          ausgestatteten Restaurant in Bagdad 8 1⁄3 Pfg. In Kesker konnte man
          1224 n. Chr. 24 fette große Brathähne um 1
          Frs. kaufen. Im Verhältnis zu diesen Ziffern
          muß der Preis für Brotgetreide
          (Weizen und Gerste) als verhältnismäßig
          hoch bezeichnet werden, wenn er für die Zeit der
          Erbauung von Bagdad auf 50 bis 60 Mk. per 1000 Kilo
          angegeben wird. Eine naheliegende Erklärung
          hierfür bietet sich in der Tatsache, daß
          Getreide eine hohe Steuer zu tragen hatte, während
          die Produkte der Viehhaltung unbesteuert blieben. Im
          Ganzen aber bestätigen all diese Ziffern nur immer
          wieder: die arabisch-islamische Kultur war nicht auf der
          Arbeit des Volkes, sondern auf dem organisierten Raub der
          herrschenden Klasse aufgebaut. Deshalb hatte die Masse
          der Beherrschten so wenig Anteil an derselben.
 unerreichten
          Ziffern darf nicht etwa die Vorstellung verknüpft
          werden, es wäre damals alles ganz
          unverhältnismäßig teuerer gewesen, als
          heute. Denn diese Annahme wäre durchaus
          unzutreffend. Bei der Erbauung von Bagdad (763 n. Chr.)
          wurde nach Sprenger als Tagelohn für einen Arbeiter
          2 2⁄5 Pfg.,
          für einen Werkmeister und Aufseher 4 7⁄10 Pfg. gezahlt. Im Jahre 985
          n. Chr. kostete ein Essen in einem mit allem Komfort
          ausgestatteten Restaurant in Bagdad 8 1⁄3 Pfg. In Kesker konnte man
          1224 n. Chr. 24 fette große Brathähne um 1
          Frs. kaufen. Im Verhältnis zu diesen Ziffern
          muß der Preis für Brotgetreide
          (Weizen und Gerste) als verhältnismäßig
          hoch bezeichnet werden, wenn er für die Zeit der
          Erbauung von Bagdad auf 50 bis 60 Mk. per 1000 Kilo
          angegeben wird. Eine naheliegende Erklärung
          hierfür bietet sich in der Tatsache, daß
          Getreide eine hohe Steuer zu tragen hatte, während
          die Produkte der Viehhaltung unbesteuert blieben. Im
          Ganzen aber bestätigen all diese Ziffern nur immer
          wieder: die arabisch-islamische Kultur war nicht auf der
          Arbeit des Volkes, sondern auf dem organisierten Raub der
          herrschenden Klasse aufgebaut. Deshalb hatte die Masse
          der Beherrschten so wenig Anteil an derselben.
          § 19. Entsprechend dieser ganz
          außergewöhnlichen Zunahme des Reichtums der
          herrschenden Klasse war auch die Größe
          des Luxus. Wiederholt wird von Privatpalästen
          berichtet, deren Bau einen Aufwand von 20 Millionen
          Franken und mehr erforderte. Es wird von Torflügeln
          erzählt aus Ebenholz mit Goldblech. Als Baumaterial
          wird vielfach Marmor bevorzugt. Im Empfangsraum speisen
          Löwen aus Gold das Wasserbecken. Dazu kostbare
          Teppiche, Stuckarbeiten, chinesische Vasen, Lacksachen,
          goldene Kandelaber und kostbare Möbel. Die Kochkunst
          wird so hoch geschätzt, daß ein
          Abbassidenprinz sich nicht zu gut dünkt, ein
          Kochbuch zu schreiben. Ein Gericht aus Fisch zungen kostet pro Person 1000 Frs.
          Feine Parfümerien werden mit Gold aufgewogen. Die
          Damenhemden sind aus feinem venetianischem Gazestoff
          verfertigt. Eine Tapete, welche im Jahre 964 n. Chr.
          für den Fatamidenpalast nach Aegypten geliefert
          wird, kostete 220'000 Frs. [Für]
          junge, besonders schöne Sklavinnen, welche in der
          Musik- und in der Tanz- und Dichtkunst gut unterrichtet
          sind, werden bis 80'000, 100'000 und 170'000 Frs.
          bezahlt. Ein Liedercyklus, den ein Sänger vor dem
          Chalifen vorgetragen, bringt ein Honorar von 300'000 Frs.
          Bei der Hochzeit eines Chalifen wurden über die als
          Gäste geladenen Damen Körbe mit großen
          echten Perlen als Geschenke ausgeschüttet. Unter die
          gleichfalls geladenen Großen des Reiches und hohen
          Offiziere hat man kleine Papierstreifen ausgestreut, auf
          welchen die Namen großer Grundbesitzungen
          verzeichnet waren. Wer einen solchen Zettel sich
          aneignete, war Eigentümer der betreffenden
          Grundherrschaft geworden. Andere Zettel trugen die
          Bezeichnung von Reitpferden, Sklaven u.s.w. Es wird von einem Handspiegel aus
          Silber und Gold berichtet, dessen Handhabe ein einziger
          großer Smaragd war. In dem Chalifenpalast zu Bagdad
          befand sich ein goldener Garten, dessen Bäume aus
          Gold statt der Früchte Edelsteine trugen und dessen
          Blumen und Vögel aus Gold mit
          Schmelz hergestellt waren.
zungen kostet pro Person 1000 Frs.
          Feine Parfümerien werden mit Gold aufgewogen. Die
          Damenhemden sind aus feinem venetianischem Gazestoff
          verfertigt. Eine Tapete, welche im Jahre 964 n. Chr.
          für den Fatamidenpalast nach Aegypten geliefert
          wird, kostete 220'000 Frs. [Für]
          junge, besonders schöne Sklavinnen, welche in der
          Musik- und in der Tanz- und Dichtkunst gut unterrichtet
          sind, werden bis 80'000, 100'000 und 170'000 Frs.
          bezahlt. Ein Liedercyklus, den ein Sänger vor dem
          Chalifen vorgetragen, bringt ein Honorar von 300'000 Frs.
          Bei der Hochzeit eines Chalifen wurden über die als
          Gäste geladenen Damen Körbe mit großen
          echten Perlen als Geschenke ausgeschüttet. Unter die
          gleichfalls geladenen Großen des Reiches und hohen
          Offiziere hat man kleine Papierstreifen ausgestreut, auf
          welchen die Namen großer Grundbesitzungen
          verzeichnet waren. Wer einen solchen Zettel sich
          aneignete, war Eigentümer der betreffenden
          Grundherrschaft geworden. Andere Zettel trugen die
          Bezeichnung von Reitpferden, Sklaven u.s.w. Es wird von einem Handspiegel aus
          Silber und Gold berichtet, dessen Handhabe ein einziger
          großer Smaragd war. In dem Chalifenpalast zu Bagdad
          befand sich ein goldener Garten, dessen Bäume aus
          Gold statt der Früchte Edelsteine trugen und dessen
          Blumen und Vögel aus Gold mit
          Schmelz hergestellt waren.
          § 20. Mit dem Reichtum und mit dem Luxus ist
          immer auch eine gewisse Blüte der
          Kultur verbunden. Gesättigte und zufriedene
          Existenzen sind duldsam gegen
          Andersgläubige. Wir finden in den besten Zeiten der
          islamischen Geschichte die Vertreter der verschiedenen
          Religionsbekenntnisse friedlich mit einander im Verkehre
          stehen. Die dadurch geförderte größere
          Unbefangenheit des Urteils mußte mit dem regeren
          Meinungsaustausch auf der Basis der reichen Mittel,
          welche zur Verfügung standen, zu tüchtigen
          Leistungen auf verschiedenen Wissensgebieten  führen. Die Ueberlieferung
          berichtet denn auch von einer Reihe berühmt
          gewordener Hochschulen, auf denen neben der
          Theologie die Jurisprudenz, die Grammatik, die
          Philosophie, die Geschichte, die Geographie, Mathematik,
          die Kulturwissenschaften und die Medizin gepflegt wurden.
          Einsichtsvolle Regenten waren bemüht, die besten
          wissenschaftlichen Werke fremder
          Kulturvölker durch Uebersetzungen ins Arabische dem
          Volke zugänglich zu machen. So sind namentlich die
          Werke der griechischen Autoren den Arabern bekannt
          geworden. Auf Vervollständigung der
          Bibliotheken wurden z.T. ganz besondere Mühen verwendet. Die
          Bibliothek von Cordova soll 400'000 Bände
          gezählt haben. Aber auch die allgemeine
          Volksbildung wurde in einzelnen Teilen des Reiches
          gepflegt. Aus Spanien wird für das Jahr 960 n. Chr.
          erzählt, daß in Andalusien fast
          Jedermann lesen und schreiben konnte, während
          gleichzeitig im übrigen Europa selbst hochgestellte
          Personen, soweit sie nicht der Kirche angehörten,
          über diese elementaren Fertigkeiten nicht
          verfügten. Die höhere
          landwirtschaftliche Kultur des damals
          herrschenden Orients hat in Europa wie in Afrika ihre
          deutlichen Spuren zurückgelassen. Mit der
          Ausdehnung, Einrichtung und Organisation des
          arabischen Welthandels konnte sich um das Jahr 750
          n. Chr. der Handel keines anderen Reiches der Erde
          vergleichen. Nicht minder haben sich Gewerbe
          und Industrie ausgebreitet. Die arabische
          Papierfabrikation aus Baumwolle hat im XI. und XII.
          Jahrhundert das Pergament in Europa verdrängt. In
          der Herstellung seidener Prachtgewänder mit
          Goldfäden hatten Irak und Syrien ein
          tatsächliches Monopol. Dazu kommt die Herstellung
          besonders wertvoller Teppiche und Tapeten, von kostbaren
          Möbeln, köstlichen Wohlgerüchen, von
          schönen Buchbinderarbeiten, kunstvollen Zelten, von
          berühmten Waffen und Rüstungen u.s.w.
 führen. Die Ueberlieferung
          berichtet denn auch von einer Reihe berühmt
          gewordener Hochschulen, auf denen neben der
          Theologie die Jurisprudenz, die Grammatik, die
          Philosophie, die Geschichte, die Geographie, Mathematik,
          die Kulturwissenschaften und die Medizin gepflegt wurden.
          Einsichtsvolle Regenten waren bemüht, die besten
          wissenschaftlichen Werke fremder
          Kulturvölker durch Uebersetzungen ins Arabische dem
          Volke zugänglich zu machen. So sind namentlich die
          Werke der griechischen Autoren den Arabern bekannt
          geworden. Auf Vervollständigung der
          Bibliotheken wurden z.T. ganz besondere Mühen verwendet. Die
          Bibliothek von Cordova soll 400'000 Bände
          gezählt haben. Aber auch die allgemeine
          Volksbildung wurde in einzelnen Teilen des Reiches
          gepflegt. Aus Spanien wird für das Jahr 960 n. Chr.
          erzählt, daß in Andalusien fast
          Jedermann lesen und schreiben konnte, während
          gleichzeitig im übrigen Europa selbst hochgestellte
          Personen, soweit sie nicht der Kirche angehörten,
          über diese elementaren Fertigkeiten nicht
          verfügten. Die höhere
          landwirtschaftliche Kultur des damals
          herrschenden Orients hat in Europa wie in Afrika ihre
          deutlichen Spuren zurückgelassen. Mit der
          Ausdehnung, Einrichtung und Organisation des
          arabischen Welthandels konnte sich um das Jahr 750
          n. Chr. der Handel keines anderen Reiches der Erde
          vergleichen. Nicht minder haben sich Gewerbe
          und Industrie ausgebreitet. Die arabische
          Papierfabrikation aus Baumwolle hat im XI. und XII.
          Jahrhundert das Pergament in Europa verdrängt. In
          der Herstellung seidener Prachtgewänder mit
          Goldfäden hatten Irak und Syrien ein
          tatsächliches Monopol. Dazu kommt die Herstellung
          besonders wertvoller Teppiche und Tapeten, von kostbaren
          Möbeln, köstlichen Wohlgerüchen, von
          schönen Buchbinderarbeiten, kunstvollen Zelten, von
          berühmten Waffen und Rüstungen u.s.w.
           § 21. Für die
          Volkswirtschaftslehre bietet noch die Tatsache ein
          besonderes Interesse, daß auch die arabische Welt
          — ähnlich der griechischen — zu einer
          Zeit, in welcher der Untergang des Reiches schon
          besiegelt war, den Aristoteles der arabischen Kultur
          hervorgebracht hat: Ibn Chaldun. Geboren zu
          Tunis im Jahre 1332 n. Chr., aus einer angesehenen
          Familie des spanischen Arabien stammend, mit den
          Verhältnissen fast der ganzen arabischen Welt aus
          persönlicher Augenscheinnahme bekannt, starb er im
          Jahre 1406 n. Chr. als Oberrichter und Sekretär des
          Sultans in Kairo. Professor von Kremer hat ihn den ersten
          kritischen Kulturhistoriker mit induktiver Methode
          genannt. Sein Hauptwerk beschäftigt sich mit dem
          großen volkswirtschaftlichen Problem des
          Fortschritts und Niederganges der Völker. Seine
          Endresultate klingen in einem heute noch vielfach
          vertretenen Pessimismus aus: jedes Reich und jedes Volk
          geht nach einer bestimmten Zeit zu Grunde. Seine
          diesbezüglichen Untersuchungen ruhen auf einer
          ungewöhnlich umfassenden Basis. Er
          berücksichtigt die geographische Lage des Landes,
          Sitte, Moral, Religion, privates und öffentliches
          Recht, die Zeitverhältnisse, die Rassenfrage, die
          Landesverteidigung und ganz besonders die
          volkswirtschaftlichen Verhältnisse. Er untersucht
          das Geld bis in die letzten Konsequenzen der
          Kapitalistenherrschaft, die Bevölkerungsfragen mit
          der Brotversorgungspolitik und der öffentlichen
          Gesundheitspflege, er beschäftigt sich mit der
          Steuerpolitik und dem Finanzwesen, mit den
          Staatsmonopolen, der Agrarpolitik, der Handels- und
          Händlerpolitik. Schon Ibn Chaldun kennt den
          Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Er
          schreibt sehr viel zutreffendes über Luxus und
          Reichtum. In seiner Getreidepreispolitik will er zu
          niedrige und zu hohe Getreidepreise gleich sehr vermieden
          wissen, ohne dabei zu vergessen, daß ein guter
          Markt für Getreide im Interesse des ganzen
 § 21. Für die
          Volkswirtschaftslehre bietet noch die Tatsache ein
          besonderes Interesse, daß auch die arabische Welt
          — ähnlich der griechischen — zu einer
          Zeit, in welcher der Untergang des Reiches schon
          besiegelt war, den Aristoteles der arabischen Kultur
          hervorgebracht hat: Ibn Chaldun. Geboren zu
          Tunis im Jahre 1332 n. Chr., aus einer angesehenen
          Familie des spanischen Arabien stammend, mit den
          Verhältnissen fast der ganzen arabischen Welt aus
          persönlicher Augenscheinnahme bekannt, starb er im
          Jahre 1406 n. Chr. als Oberrichter und Sekretär des
          Sultans in Kairo. Professor von Kremer hat ihn den ersten
          kritischen Kulturhistoriker mit induktiver Methode
          genannt. Sein Hauptwerk beschäftigt sich mit dem
          großen volkswirtschaftlichen Problem des
          Fortschritts und Niederganges der Völker. Seine
          Endresultate klingen in einem heute noch vielfach
          vertretenen Pessimismus aus: jedes Reich und jedes Volk
          geht nach einer bestimmten Zeit zu Grunde. Seine
          diesbezüglichen Untersuchungen ruhen auf einer
          ungewöhnlich umfassenden Basis. Er
          berücksichtigt die geographische Lage des Landes,
          Sitte, Moral, Religion, privates und öffentliches
          Recht, die Zeitverhältnisse, die Rassenfrage, die
          Landesverteidigung und ganz besonders die
          volkswirtschaftlichen Verhältnisse. Er untersucht
          das Geld bis in die letzten Konsequenzen der
          Kapitalistenherrschaft, die Bevölkerungsfragen mit
          der Brotversorgungspolitik und der öffentlichen
          Gesundheitspflege, er beschäftigt sich mit der
          Steuerpolitik und dem Finanzwesen, mit den
          Staatsmonopolen, der Agrarpolitik, der Handels- und
          Händlerpolitik. Schon Ibn Chaldun kennt den
          Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Er
          schreibt sehr viel zutreffendes über Luxus und
          Reichtum. In seiner Getreidepreispolitik will er zu
          niedrige und zu hohe Getreidepreise gleich sehr vermieden
          wissen, ohne dabei zu vergessen, daß ein guter
          Markt für Getreide im Interesse des ganzen  Volkes am meisten zu wünschen
          sei. Wenn der Getreidebau viel einbringt, zieht der Staat
          den meisten Nutzen daraus. Hier finden sich deutlich die
          Elemente der Ricardo’schen Grundrententheorie. Die
          Arbeitsteilung wird eingehend als wichtige Quelle des
          Reichtums und der Kultur behandelt. Und selbst der
          Begriff „Lieferwaren“ unserer modernen
          Börsenusancen findet sich schon bei Ibn Chaldun. Wie
          Professor Kohler moderne Rechtsfragen mit entschiedenem
          Vorteile für unsere Kenntnisse an den Entscheidungen
          und Theorien der alt-islamischen Juristen gemessen hat,
          so kann auch unsere nationalökonomische Wissenschaft
          nur gewinnen, wenn sie endlich beginnt, sich mit den
          Ausführungen des Ibn Chaldun näher bekannt zu
          machen.
 Volkes am meisten zu wünschen
          sei. Wenn der Getreidebau viel einbringt, zieht der Staat
          den meisten Nutzen daraus. Hier finden sich deutlich die
          Elemente der Ricardo’schen Grundrententheorie. Die
          Arbeitsteilung wird eingehend als wichtige Quelle des
          Reichtums und der Kultur behandelt. Und selbst der
          Begriff „Lieferwaren“ unserer modernen
          Börsenusancen findet sich schon bei Ibn Chaldun. Wie
          Professor Kohler moderne Rechtsfragen mit entschiedenem
          Vorteile für unsere Kenntnisse an den Entscheidungen
          und Theorien der alt-islamischen Juristen gemessen hat,
          so kann auch unsere nationalökonomische Wissenschaft
          nur gewinnen, wenn sie endlich beginnt, sich mit den
          Ausführungen des Ibn Chaldun näher bekannt zu
          machen.
          
          § 22. Der Chalife Omar I., den wir
          bereits als Organisator des arabisch-islamischen
          Weltreiches kennen gelernt haben, hatte als sein
          Testament folgende Regierungsätze
          hinterlassen: „Ich empfehle meinen Nachfolgern die
          Fluchtgenossen und Hülfsgenossen des Propheten, die
          Bewohner der militärischen Standlager, die
          Einsammler der Steuern. All diesen sollten nur solche
          Steuern auferlegt werden, als sie freiwillig zahlen. Ich
          empfehle die Beduinen, die die Wurzel der Araber und der
          Kern des Islam sind, sie sollen ihre Armensteuern unter
          ihre Armen verteilen. Die Verträge mit den
          Ungläubigen soll man halten und sie nicht zu sehr
          mit Steuern belasten.“ Auf seinem Sterbebette
          schlägt Omar I., mit Umgehung seines eigenen Sohnes,
          Othmann als seinen Nachfolger vor. Als er
          die Liste der Staatsdotationen festsetzte, riet ihm seine
          Umgebung, in seiner Eigenschaft als Chalife sich an
          erster Stelle zu bedenken. Er tat es nicht, sondern
          setzte an erste Stelle die Witwen des Propheten, um sich
          selbst an zweiter Stelle, in der gleichen Reihe mit einer
          größeren Zahl seiner Glaubensgenossen mit etwa
          der halben Summe zu begnügen. Man ersieht aus
          alldem: innerhalb des von Muhammed einmal gegebenen
          Raubrechtes war Omar in  ehrlicher
          Weise bemüht, dem menschlichen
          Gerechtigkeitsempfinden treu zu bleiben und auch die
          Henne nicht zu schlachten, welche die goldenen Eier in
          das „Schatzhaus der Muslime“ legen sollte.
          Die große Mehrzahl der im Staate maßgebenden
          Gläubigen liebte eine weniger ideale
          Lebensauffassung. Kaum hatte Muhammed die Augen
          geschlossen, als auch die zentralarabischen Stämme
          bereits die Erklärung nach Medina schickten, sie
          wollten zwar beim Islam bleiben, aber keine Armensteuer
          mehr zahlen, m.a.W. sie wollten die
          Vorteile des Islam genießen, aber möglichst
          ohne Gegenleistung ihrerseits. Was vielleicht noch
          bedenklicher war: es fanden sich jetzt schon
          falsche Propheten, welche die Methode
          Muhammeds nachzuahmen versuchten, um als direkte
          Beauftragte Gottes eigene Religionsanhänger zu
          gewinnen und durch deren Hülfe zu politischer Macht
          und vielleicht auch zu ökonomischem Reichtum zu
          gelangen. Von da an bis in unsere Tage wird die
          muhammedanische Welt immer wieder von
          Unternehmern heimgesucht, welche den
          Prophetenberuf als ein ausgezeichnetes
          Geschäft betrachten und in der Tat oft genug
          dabei ausgezeichnete Geschäfte machen. Der erste
          Chalife Abu Bakr verstand solchen
          Bestrebungen gegenüber keinen Spaß. Seine
          Antwort an die zentralarabischen Stämme lautete:
          „Unbedingte Unterwerfung unter den
          Islam oder Krieg bis zur Vernichtung!“ Der Ausgang
          der Schlacht bei Akraba hat seiner Politik zunächst
          Recht gegeben. Aber das Blut, das hier vergossen wurde,
          um die heidnisch-arabischen Stämme unter die Fahne
          des Islam zu zwingen, war deshalb nicht vergessen. Denn
          trotz des Koran hielten die Araber auch weiter an ihrem
          alten Grundsatze fest: „Meine Rache muß ich
          haben und sollte die Welt darüber zu nichte
          gehen!“ Die Gelegenheit zur reichlichen Heimzahlung
          an die frommen Herren von Medina boten nur zu
 ehrlicher
          Weise bemüht, dem menschlichen
          Gerechtigkeitsempfinden treu zu bleiben und auch die
          Henne nicht zu schlachten, welche die goldenen Eier in
          das „Schatzhaus der Muslime“ legen sollte.
          Die große Mehrzahl der im Staate maßgebenden
          Gläubigen liebte eine weniger ideale
          Lebensauffassung. Kaum hatte Muhammed die Augen
          geschlossen, als auch die zentralarabischen Stämme
          bereits die Erklärung nach Medina schickten, sie
          wollten zwar beim Islam bleiben, aber keine Armensteuer
          mehr zahlen, m.a.W. sie wollten die
          Vorteile des Islam genießen, aber möglichst
          ohne Gegenleistung ihrerseits. Was vielleicht noch
          bedenklicher war: es fanden sich jetzt schon
          falsche Propheten, welche die Methode
          Muhammeds nachzuahmen versuchten, um als direkte
          Beauftragte Gottes eigene Religionsanhänger zu
          gewinnen und durch deren Hülfe zu politischer Macht
          und vielleicht auch zu ökonomischem Reichtum zu
          gelangen. Von da an bis in unsere Tage wird die
          muhammedanische Welt immer wieder von
          Unternehmern heimgesucht, welche den
          Prophetenberuf als ein ausgezeichnetes
          Geschäft betrachten und in der Tat oft genug
          dabei ausgezeichnete Geschäfte machen. Der erste
          Chalife Abu Bakr verstand solchen
          Bestrebungen gegenüber keinen Spaß. Seine
          Antwort an die zentralarabischen Stämme lautete:
          „Unbedingte Unterwerfung unter den
          Islam oder Krieg bis zur Vernichtung!“ Der Ausgang
          der Schlacht bei Akraba hat seiner Politik zunächst
          Recht gegeben. Aber das Blut, das hier vergossen wurde,
          um die heidnisch-arabischen Stämme unter die Fahne
          des Islam zu zwingen, war deshalb nicht vergessen. Denn
          trotz des Koran hielten die Araber auch weiter an ihrem
          alten Grundsatze fest: „Meine Rache muß ich
          haben und sollte die Welt darüber zu nichte
          gehen!“ Die Gelegenheit zur reichlichen Heimzahlung
          an die frommen Herren von Medina boten nur zu  bald die habgierigen Pläne von
          Mitgliedern der Familie Koreisch, der bekanntlich auch
          der Prophet entsprossen war, und für welche der
          Koran eine besondere Anweisung auf die
          geschäftlichen Erträge des islamischen
          Unternehmens enthielt.
 bald die habgierigen Pläne von
          Mitgliedern der Familie Koreisch, der bekanntlich auch
          der Prophet entsprossen war, und für welche der
          Koran eine besondere Anweisung auf die
          geschäftlichen Erträge des islamischen
          Unternehmens enthielt.
          § 23. Der Nachfolger von Omar I. war
          Othmann geworden, ebenfalls ein Koreischite.
          Er war nicht blind jenen schamlosen Diebstählen
          gegenüber, deren sich die arabischen Herren im neuen
          islamischen Reiche befleißigten. Sein Streben war
          deshalb darauf gerichtet, vor allem die Steuereinhebung
          von den Funktionen der Statthalter in den Provinzen zu
          trennen. Der Statthalter von Aegypten Amr
          schrieb ihm darauf ganz offen: „Wenn hier ein
          Anderer die Steuer einzieht, dann bin ich in der Lage
          eines Mannes, welcher die Kuh bei den Hörnern
          festhält, während ein Anderer sie melkt.“
          Othmann war zu schwach, um den verdienten General,
          welcher Aegypten dem Islam erobert hatte, die Staatskuh
          nicht weiter melken zu lassen. Diese seine
          persönliche Gutmütigkeit ließ die
          Ansprüche seiner nächsten mekkanischen
          Verwandten immer maßloser werden. Seinem Vetter,
          dem „armen Schlucker“ Moawija,
          gab er den Statthalterposten für Syrien in Damaskus
          und schenkte ihm die in Syrien gelegenen
          Staatsdomänen, deren Erträge
          bisher in die Staatskasse geflossen waren. Othmann
          durchbrach somit das so wichtige Omar’sche
          Staatsgrundgesetz, wonach kein Araber außerhalb
          Arabiens Grundbesitz erwerben sollte. Auch die
          übrigen guten Staatsämter besetzte er mit
          seinen Verwandten und Günstlingen, welche alle wie
          die Raben gestohlen haben. Das Omar’sche System der
          Jahresdotationen aus der Staatskasse an die
          Gläubigen wurde damit durchbrochen. Die Einnahmen
          der Staatskasse genügten bald nicht mehr für
          die Auszahlungen, an welche sich die Gläubigen nur
          zu rasch gewöhnt hatten. Die Masse der
          Gläubigen sah sich gegen über den
          Verwandten und Günstlingen Othmann’s
          entschieden benachteiligt. Die Unzufriedenen sammelten
          sich in Medina, stürmten das Haus des Chalifen und
          als der alte Herr nicht abzudanken beliebte, wurde er
          ermordet. Zu seinem Nachfolger hat man den
          strenggläubigen Ali, Schwiegersohn des
          Propheten Muhammed, (656 n. Chr. ) ausgerufen.
über den
          Verwandten und Günstlingen Othmann’s
          entschieden benachteiligt. Die Unzufriedenen sammelten
          sich in Medina, stürmten das Haus des Chalifen und
          als der alte Herr nicht abzudanken beliebte, wurde er
          ermordet. Zu seinem Nachfolger hat man den
          strenggläubigen Ali, Schwiegersohn des
          Propheten Muhammed, (656 n. Chr. ) ausgerufen.
          Mit dieser Wendung der Dinge war natürlich die in
          fette Staatspfründen eingewiesene mekkanische
          Aristokratie nicht einverstanden. Der Statthalter von
          Damaskus Moawija verweigerte die Anerkennung
          des neuen Chalifen und bereitete sich mit seinen ihm
          ergebenen syrischen Truppen auf den Kampf vor. Der
          schlaue Amr in Aegypten schloß sich
          Moawija an. Ein anderer Statthalter Ja Ala
          nahm aus seiner Provinz die wohl gefüllte
          Staatskasse mit nach Mekka, wo sie als Kriegskasse gegen
          Ali und seinen Anhang diente. Kräftigen Zuzug
          erhielten die nimmersatten Mekkaner aus den Reihen der
          durch die Schlacht bei Akraba zum Islam gezwungenen
          zentralarabischen Stämme. Der blutige
          Bürgerkrieg dauerte von 656—661 n. Chr. Durch
          die bessere List und größere Verschlagenheit
          siegten die religionslosen Geschäftsleute über
          die ehrlicheren Gläubigen. Ali wurde ermordet und
          dem Sieger Moawija gehörte die Beute: das Chalifat
          von 661—680 n. Chr. Er verlegte den Regierungssitz
          des Reiches aus der heiligen Stadt Medina, nach dem
          weniger heiligen, aber prächtig gelegenen Damaskus.
          Die Herrschaft der Omaijaden-Chalifen hatte
          begonnen.
          § 24. Eben diesem Moawija hatte Keis Ibn
          Ssaad in einem Briefe geschrieben: „Du bist
          nichts als ein mekkanischer Götzendiener, ungern
          bist Du in den Islam ein- — gern wieder
          ausgetreten.“ Der Götze, welchen dieser
          Nachfolger der Propheten und Fürst der
          Gläubigen anbetete, war das goldene Kalb. Mit
          wenigen Ausnahmen haben die Mitglieder der
          Omaijadenfamilie keinen Hehl  daraus
          gemacht, daß ihnen die religiösen Vorschriften
          des Islam lästig seien. Als lustige Lebemänner
          und unersättliche Zecher zogen sie es vor, sich
          durch das fünfmalige tägliche Gebet und durch
          die Freitagspredigt nicht immer stören zu lassen.
          Der Chalife Jezyd I, Sohn und Nachfolger des
          Moawija, ließ sich in der Moschee durch den
          Obersten seiner Leibgarde vertreten. Walid I
          (705—715 n. Chr. ) soll sogar eine verkleidete
          Haremsdame als Vertreterin an seiner Stelle in die
          Moschee geschickt haben. Mit der Freiheit und Gleichheit
          der Araber war es jetzt vorbei. Der kluge, schlaue
          Absolutismus mit Gift und Dolch und ohne moralisches
          Gewissen war mit Moawija zur Herrschaft gekommen. Seinen
          Sohn Jezyd hatten die Araber schon 670 n. Chr. als seinen
          Nachfolger im Chalifate nicht mehr zu wählen,
          sondern nur auf Befehl anzuerkennen. Dabei wurden in der
          Moschee neben jede zweifelhafte Persönlichkeit zwei
          Soldaten mit entblößten Schwertern gestellt,
          welche den Auftrag hatten, den Betreffenden im Falle
          einer Verweigerung der Anerkennung sofort nieder zu
          hauen. Die Strenggläubigen waren
          natürlich diesem Chalifen ein Dorn im Auge. Aus
          irgend welchem Anlaß wurden bald hier bald dort
          Vertreter dieser Richtung aufgegriffen, hingerichtet und
          ihr Vermögen zu Gunsten der Staatskasse und damit
          vor allem zu Gunsten des Chalifen konfisziert. Doch die
          arabische Rache blieb auch jetzt nicht aus. Nach jeder
          Hinrichtung dieser Art war am folgenden Tage der
          Vollstrecker eine Leiche.
 daraus
          gemacht, daß ihnen die religiösen Vorschriften
          des Islam lästig seien. Als lustige Lebemänner
          und unersättliche Zecher zogen sie es vor, sich
          durch das fünfmalige tägliche Gebet und durch
          die Freitagspredigt nicht immer stören zu lassen.
          Der Chalife Jezyd I, Sohn und Nachfolger des
          Moawija, ließ sich in der Moschee durch den
          Obersten seiner Leibgarde vertreten. Walid I
          (705—715 n. Chr. ) soll sogar eine verkleidete
          Haremsdame als Vertreterin an seiner Stelle in die
          Moschee geschickt haben. Mit der Freiheit und Gleichheit
          der Araber war es jetzt vorbei. Der kluge, schlaue
          Absolutismus mit Gift und Dolch und ohne moralisches
          Gewissen war mit Moawija zur Herrschaft gekommen. Seinen
          Sohn Jezyd hatten die Araber schon 670 n. Chr. als seinen
          Nachfolger im Chalifate nicht mehr zu wählen,
          sondern nur auf Befehl anzuerkennen. Dabei wurden in der
          Moschee neben jede zweifelhafte Persönlichkeit zwei
          Soldaten mit entblößten Schwertern gestellt,
          welche den Auftrag hatten, den Betreffenden im Falle
          einer Verweigerung der Anerkennung sofort nieder zu
          hauen. Die Strenggläubigen waren
          natürlich diesem Chalifen ein Dorn im Auge. Aus
          irgend welchem Anlaß wurden bald hier bald dort
          Vertreter dieser Richtung aufgegriffen, hingerichtet und
          ihr Vermögen zu Gunsten der Staatskasse und damit
          vor allem zu Gunsten des Chalifen konfisziert. Doch die
          arabische Rache blieb auch jetzt nicht aus. Nach jeder
          Hinrichtung dieser Art war am folgenden Tage der
          Vollstrecker eine Leiche.
          § 25. Schonender behandelte Moawija die
          Geldgier des Volkes. Die von Omar I angesetzten
          Staatsdotationen wurden wieder ausgezahlt, nachdem in dem
          vorausgegangenen Bürgerkriege die Zahl der zu den
          höchsten Bezügen Berechtigten gelichtet war.
          Diese Dotationen wurden auch dadurch etwas gekürzt,
          daß man die 2 1⁄2% der Armensteuer bei der
          Auszahlung zurück behielt.  Um trotzdem
          tunlichst reiche Mittel für den Chalifen übrig
          zu behalten, wurde das Finanzwesen streng
          geordnet. In der Steuererhebung wurden den
          Statthaltern der Zentralkasse gegenüber in der Weise
          die Hände gebunden, daß Moawija das Steuersoll
          jeder Provinz einschätzte und vom Statthalter die
          Ablieferung dieser Summe alljährlich verlangte. Es
          ist begreiflich, daß der habgierige Chalife in
          diesen seinen Steuereinschätzungen nicht niedrig zu
          greifen gewohnt war. Die Provinz Irak z.B. hatte danach jährlich 100 Millionen
          Franken zu zahlen. Durch welche Erpressungen diese Summen
          aufgebracht wurden, war dem Chalifen gleichgültig.
          Wo es nötig war, wurden einfach durch
          Vermögenskonfiskationen bei den Reichsten die
          Barbestände der Steuerkassen ergänzt. Eine
          bessere Ordnung des Münzwesens, die erste
          Organisation der Reichspost, welche zugleich die Aufgaben
          der Geheimpolizei zu besorgen hatte, traten
          ergänzend hinzu. Und nachdem das Chalifat
          genügend gesichert schien, wurde auch wieder der vom
          Propheten befohlene „heilige Krieg“ gegen die
          Ungläubigen in Szene gesetzt.
          Transoxanien und Chorassam
          wurde erobert. Bis nach dem Indus drangen die siegreichen
          Heere vor. Der Raubzug gegen das byzantinische Reich
          führte zur ersten Belagerung von
          Konstantinopel, die freilich erfolglos blieb.
 Um trotzdem
          tunlichst reiche Mittel für den Chalifen übrig
          zu behalten, wurde das Finanzwesen streng
          geordnet. In der Steuererhebung wurden den
          Statthaltern der Zentralkasse gegenüber in der Weise
          die Hände gebunden, daß Moawija das Steuersoll
          jeder Provinz einschätzte und vom Statthalter die
          Ablieferung dieser Summe alljährlich verlangte. Es
          ist begreiflich, daß der habgierige Chalife in
          diesen seinen Steuereinschätzungen nicht niedrig zu
          greifen gewohnt war. Die Provinz Irak z.B. hatte danach jährlich 100 Millionen
          Franken zu zahlen. Durch welche Erpressungen diese Summen
          aufgebracht wurden, war dem Chalifen gleichgültig.
          Wo es nötig war, wurden einfach durch
          Vermögenskonfiskationen bei den Reichsten die
          Barbestände der Steuerkassen ergänzt. Eine
          bessere Ordnung des Münzwesens, die erste
          Organisation der Reichspost, welche zugleich die Aufgaben
          der Geheimpolizei zu besorgen hatte, traten
          ergänzend hinzu. Und nachdem das Chalifat
          genügend gesichert schien, wurde auch wieder der vom
          Propheten befohlene „heilige Krieg“ gegen die
          Ungläubigen in Szene gesetzt.
          Transoxanien und Chorassam
          wurde erobert. Bis nach dem Indus drangen die siegreichen
          Heere vor. Der Raubzug gegen das byzantinische Reich
          führte zur ersten Belagerung von
          Konstantinopel, die freilich erfolglos blieb.
          § 26. Nach dem Tode des
          gefürchteten Moawija (680 n. Chr.)
          begann der Bürgerkrieg von neuem
          aufzulodern. Die frommen Muslime wollten keinen
          Glaubenslosen als „Fürst der
          Gläubigen“ haben. Man hatte Jezyd
          freilich im Jahre 670 n. Chr. als Nachfolger des Chalifen
          anerkannt. Aber diese Anerkennung konnte mit Recht als
          eine erzwungene bezeichnet werden. Man hielt sich deshalb
          durch dieselbe nicht gebunden. Von der Gegenseite wurde
          daraus gefolgert, daß Eide überhaupt nicht
          mehr bindend seien. Und bald ließ man  Eide, die einigermaßen als
          haltbar gelten sollten, fünfzig mal schwören.
          Dieser zweite Krieg der Strenggläubigen zur
          Beseitigung der Herrschaft der Glaubenslosen dauerte 13
          Jahre (680—693 n. Chr.). Er wurde mit höchster
          Erbitterung geführt und endete abermals mit dem
          Siege der Omaijaden. Von den Soldaten des Chalifen, unter
          der Führung eines heidnischen Arabers, welcher seine
          Rache für Akraba an der Familie des Propheten haben
          wollte, wird Hussein, der Sohn des Ali und
          Enkel des Propheten mit den besten Freunden der
          Prophetenfamilie bei Kerbela hingeschlachtet
          und der Kopf des Hussein an den Chalifen nach Damaskus
          geschickt. Auf dem Zuge gegen die heilige Stadt Medina,
          dem Hauptsitze der orthodoxen Partei, wurde den Soldaten
          des Chalifen doppelte Löhnung gegeben, Medina
          zerstört, die Moschee des Muhammed geschändet
          und 2400 Hülfsgenossen des Propheten mit 2300
          strenggläubigen Koreischiten niedergemacht, der Rest
          der Bevölkerung in die Sklaverei abgeführt.
          Auch Mekka wurde belagert und selbst die Kaaba nicht
          geschont. Mit solchen Ereignissen wurde der
          Religionskrieg eingeleitet. Wenige Jahre später fand
          sich ein neuer Prophet, welcher sich
          für einen Sohn des Ali ausgab und an den
          Glaubenslosen ein Rächer für Hussein werden
          wollte. Auch die ehrgeizigen Mekkaner schlossen sich
          diesem neuen Unternehmen an, das 687 n. Chr. im Blute
          erstickt wurde. Inzwischen war der Säufer Jezyd I.
          nach dreijähriger Regierung gestorben. Sein
          schwacher Sohn Moawija II. war nach einer
          Regierung von nicht ganz einem Jahre aus dem Wege
          geräumt worden. Der dann folgende Chalife
          Merwan II. (683—685 n. Chr.) fand
          durch die Hand seiner Gattin seinen Tod. Erst mit
          Abdalmelik I.
          (685—705 n. Chr.), dem größten der
          Omaijaden-Chalifen, der wenigstens sein Gewissen mit
          keinem Giftmord belastet hat, beginnt allmählich die
          Be
 Eide, die einigermaßen als
          haltbar gelten sollten, fünfzig mal schwören.
          Dieser zweite Krieg der Strenggläubigen zur
          Beseitigung der Herrschaft der Glaubenslosen dauerte 13
          Jahre (680—693 n. Chr.). Er wurde mit höchster
          Erbitterung geführt und endete abermals mit dem
          Siege der Omaijaden. Von den Soldaten des Chalifen, unter
          der Führung eines heidnischen Arabers, welcher seine
          Rache für Akraba an der Familie des Propheten haben
          wollte, wird Hussein, der Sohn des Ali und
          Enkel des Propheten mit den besten Freunden der
          Prophetenfamilie bei Kerbela hingeschlachtet
          und der Kopf des Hussein an den Chalifen nach Damaskus
          geschickt. Auf dem Zuge gegen die heilige Stadt Medina,
          dem Hauptsitze der orthodoxen Partei, wurde den Soldaten
          des Chalifen doppelte Löhnung gegeben, Medina
          zerstört, die Moschee des Muhammed geschändet
          und 2400 Hülfsgenossen des Propheten mit 2300
          strenggläubigen Koreischiten niedergemacht, der Rest
          der Bevölkerung in die Sklaverei abgeführt.
          Auch Mekka wurde belagert und selbst die Kaaba nicht
          geschont. Mit solchen Ereignissen wurde der
          Religionskrieg eingeleitet. Wenige Jahre später fand
          sich ein neuer Prophet, welcher sich
          für einen Sohn des Ali ausgab und an den
          Glaubenslosen ein Rächer für Hussein werden
          wollte. Auch die ehrgeizigen Mekkaner schlossen sich
          diesem neuen Unternehmen an, das 687 n. Chr. im Blute
          erstickt wurde. Inzwischen war der Säufer Jezyd I.
          nach dreijähriger Regierung gestorben. Sein
          schwacher Sohn Moawija II. war nach einer
          Regierung von nicht ganz einem Jahre aus dem Wege
          geräumt worden. Der dann folgende Chalife
          Merwan II. (683—685 n. Chr.) fand
          durch die Hand seiner Gattin seinen Tod. Erst mit
          Abdalmelik I.
          (685—705 n. Chr.), dem größten der
          Omaijaden-Chalifen, der wenigstens sein Gewissen mit
          keinem Giftmord belastet hat, beginnt allmählich die
          Be ruhigung des Reiches, die im Jahre 693
          n. Chr. zur Einigung der Parteien
          führte.
ruhigung des Reiches, die im Jahre 693
          n. Chr. zur Einigung der Parteien
          führte.
          § 27. Solche Religionskriege mit dem raschen
          Wechsel der Chalifen mußten die Finanzen des
          Reiches tief erschüttern. Von dem Bezug der von Omar
          I. ausgesetzten Staatsdotationen war längst keine
          Rede mehr. Die Einnahmen der Staatskasse reichten nicht
          einmal aus. den Truppen der Regierung ihren Sold zu
          zahlen. Zu Beginn seiner Regierung
          mußte sich Abdalmelik dazu verstehen, die von
          Byzanz drohenden räuberischen Einfälle durch
          besondere Tributleistungen abzuwenden, um sich so den
          Rücken zu sichern, und alle vorhandenen
          Streitkräfte endlich zur Niederwerfung der
          heimischen Gegner zusammenfassen zu können.
          Außergewöhnliche Dienste wurden hierbei dem
          Chalifen von einem Schulmeister aus einem
          persischen Gebirgsdorfe mit Namen Haggag
          geleistet, den Abdalmelik auf seinem Heereszuge
          persönlich kennen gelernt und sofort zum
          Heerführer und Statthalter der so wichtigen Provinz
          Irak ernannt hatte. Mit eisernem Besen hat dieser
          Neumuslim in die, durch lange Religionskriege sehr
          verwilderten Staatsverhältnisse Ordnung gebracht.
          Wer unter seinem Regiment als Muslim vom Kriegsdienste
          sich drücken wollte, wurde sofort hingerichtet. Aber
          mit der politischen Ordnung und Unterwerfung des Volkes
          allein war noch nicht den jetzt wesentlich
          veränderten ökonomischen
          Verhältnissen Rechnung getragen.
          § 28. Die Araber hatten unter ihrem Propheten und
          den ersten beiden Chalifen gelernt, daß das
          islamische Reich eine Einrichtung zu ihrer
          ökonomischen Versorgung sei. Sie haben den
          vierten Chalifen ermordet, weil er sich eine merkliche
          Verschiebung dieser Organisation zu Gunsten seiner
          Verwandten und Günstlinge gestattete. Die weitere
          Folge dieses politischen Mordes war die Unterwerfung der
          Araber unter das absolute Regiment  der
          Omaijaden, deren Herrschaft in zwei Religionskriegen, von
          denen der erste 6, der zweite 12 Jahre dauerte, nicht
          gebrochen wurde. Wollte jetzt Abdalmelik die innere Ruhe
          herstellen, so durfte er seine Aufgabe nicht allein in
          der Niederwerfung der noch vorhandenen bewaffneten
          Oppositionspartei erblicken. Er mußte vielmehr als
          kluger Fürst außerdem darnach streben, die
          materiellen Interessen der Araber wieder in irgend
          welcher Form mit der Existenz des islamischen Reiches zu
          verknüpfen.
 der
          Omaijaden, deren Herrschaft in zwei Religionskriegen, von
          denen der erste 6, der zweite 12 Jahre dauerte, nicht
          gebrochen wurde. Wollte jetzt Abdalmelik die innere Ruhe
          herstellen, so durfte er seine Aufgabe nicht allein in
          der Niederwerfung der noch vorhandenen bewaffneten
          Oppositionspartei erblicken. Er mußte vielmehr als
          kluger Fürst außerdem darnach streben, die
          materiellen Interessen der Araber wieder in irgend
          welcher Form mit der Existenz des islamischen Reiches zu
          verknüpfen.
          Eines dieser Mittel war der Erwerb von
          landwirtschaftlichem Grundbesitz. Zu Gunsten der
          Omaijaden war ja das Verbot Omars I., außerhalb
          Arabiens als Muslim Grundbesitz zu erwerben, aufgehoben
          worden. Unter den Omaijaden hatte dann dieser Grunderwerb
          in den eroberten Ländern so zugenommen, daß
          die Provinz Irak als „Garten der
          Koreischiten“ bezeichnet wird. Mit diesem
          landwirtschaftlichen Besitz war
          keineswegs die landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit
          verbunden. Alles Land war vielmehr wieder an Bauern
          verpachtet. Auch dieser Erwerb von
          Großgrundbesitzungen spielte sich hier häufig
          in jenen räuberischen Formen ab, welche die deutsche
          Sprache mit „Bauernlegen“
          bezeichnet. An Abgaben an den Staat hatte der Araber von
          diesen Latifundien den Zehent zu leisten. Rechnen wir
          also durchschnittlich eine Einnahme aus der Pachtleistung
          des Bauern gleich 1⁄2 des
          Bruttoertrages und ziehen davon die nur zu häufig
          von den Arabern garnicht gezahlte Staatssteuer gleich
          1⁄10 des Ertrages ab, so
          blieb dem Grundherrn eine arbeitslose Rente in der
          Höhe von 4⁄10 des aus
          dem Boden durch die Arbeit der Bauern
          herausgewirtschafteten Ertrages. Die Herren Araber waren
          durch entsprechend große Grundbesitzungen ganz gut
          versorgt.
          § 29. Nun hatte aber auch diese Medaille
          ihre Kehrseite. Nach den Grundsätzen ihrer
          Religion hatten  alle
          Gläubigen gleiche Rechte. Omar I. hat deshalb den
          Neubekehrten den gleichen entsprechenden Anteil an den
          Staatsdotationen zugewiesen und gleichzeitig auch von
          ihnen verlangt, daß sie auf ihren Grundbesitz zu
          Gunsten ihrer bisherigen Glaubensgenossen verzichteten,
          um die Staatseinnahmen aus der wesentlich höheren
          Grundsteuer der Besiegten nicht zu schmälern. Wenn
          aber inzwischen den Arabern gestattet wurde,
          außerhalb Arabiens Grundbesitzer zu werden, dann
          konnte es den Neubekehrten im Lande nicht verboten sein,
          Grundbesitzer zu bleiben. Die Steuererleichterung aber,
          welche durch den Uebertritt zum Islam und der
          Verpflichtung der Gläubigen nur zur Zahlung des
          Zehnt, wahrscheinlich auf 1⁄3 und 1⁄4 der bis dahin gezahlten
          Grundsteuer herabgegangen wäre, ungerechnet die
          gleichzeitige Befreiung von der Kopfsteuer, hätte
          mit der längeren Dauer der arabischen Herrschaft die
          Neubekehrungen immer mehr anwachsen lassen. Der Umstand,
          daß mit Haggag ein Neumuslim
           Vorbeter in der Moschee und Statthalter
          geworden war, mag diesen Bekehrungsprozeß aus
          ökonomischen Gründen noch mehr angeregt haben.
          Die Interessen der Staatskasse waren indeß mit
          diesen Vorgängen kaum in Einklang zu bringen. Denn
          der Gewinn, den der Islam mit den Neubekehrten als
          Zuwachs seiner Anhänger gemacht hat, bedeutete
          für die Steuereinnahme einen entsprechenden Verlust.
          Wenn nun auch den Arabern gegenüber in diesem Falle
          wieder ein Auge zugedrückt wurde, weil sie in dem
          Erwerb von größeren Grundbesitzungen einen
          Ersatz für die verloren gegangenen Staatsdotationen
          fanden, den Neubekehrten gegenüber konnte der rein
          fiskalische Standpunkt um so leichter vertreten werden,
          je weniger die herrschende Familie der Omaijaden sich um
          die Bestimmungen des Koran kümmerte. So erschien
          denn im Jahre 700 n. Chr. das Gebot, daß
          durch den Uebertritt zum Islam
 alle
          Gläubigen gleiche Rechte. Omar I. hat deshalb den
          Neubekehrten den gleichen entsprechenden Anteil an den
          Staatsdotationen zugewiesen und gleichzeitig auch von
          ihnen verlangt, daß sie auf ihren Grundbesitz zu
          Gunsten ihrer bisherigen Glaubensgenossen verzichteten,
          um die Staatseinnahmen aus der wesentlich höheren
          Grundsteuer der Besiegten nicht zu schmälern. Wenn
          aber inzwischen den Arabern gestattet wurde,
          außerhalb Arabiens Grundbesitzer zu werden, dann
          konnte es den Neubekehrten im Lande nicht verboten sein,
          Grundbesitzer zu bleiben. Die Steuererleichterung aber,
          welche durch den Uebertritt zum Islam und der
          Verpflichtung der Gläubigen nur zur Zahlung des
          Zehnt, wahrscheinlich auf 1⁄3 und 1⁄4 der bis dahin gezahlten
          Grundsteuer herabgegangen wäre, ungerechnet die
          gleichzeitige Befreiung von der Kopfsteuer, hätte
          mit der längeren Dauer der arabischen Herrschaft die
          Neubekehrungen immer mehr anwachsen lassen. Der Umstand,
          daß mit Haggag ein Neumuslim
           Vorbeter in der Moschee und Statthalter
          geworden war, mag diesen Bekehrungsprozeß aus
          ökonomischen Gründen noch mehr angeregt haben.
          Die Interessen der Staatskasse waren indeß mit
          diesen Vorgängen kaum in Einklang zu bringen. Denn
          der Gewinn, den der Islam mit den Neubekehrten als
          Zuwachs seiner Anhänger gemacht hat, bedeutete
          für die Steuereinnahme einen entsprechenden Verlust.
          Wenn nun auch den Arabern gegenüber in diesem Falle
          wieder ein Auge zugedrückt wurde, weil sie in dem
          Erwerb von größeren Grundbesitzungen einen
          Ersatz für die verloren gegangenen Staatsdotationen
          fanden, den Neubekehrten gegenüber konnte der rein
          fiskalische Standpunkt um so leichter vertreten werden,
          je weniger die herrschende Familie der Omaijaden sich um
          die Bestimmungen des Koran kümmerte. So erschien
          denn im Jahre 700 n. Chr. das Gebot, daß
          durch den Uebertritt zum Islam  keinerlei Veränderung in den
          Steuerverpflichtungen bedingt sei. Die
          Neubekehrten hatten nach wie vor die Grundsteuer der
          Besiegten und die Kopfsteuer zu zahlen.
 keinerlei Veränderung in den
          Steuerverpflichtungen bedingt sei. Die
          Neubekehrten hatten nach wie vor die Grundsteuer der
          Besiegten und die Kopfsteuer zu zahlen.
          § 30. Damit man daraus nicht etwa den
          Schluß ziehen konnte, es sei der Regierung des
          „Fürsten der Gläubigen“ weniger um
          die Gewinnung neuer Glaubensgenossen und mehr um die
          Erhaltung und Erhöhung der Steuereinnahmen zu tun,
          kam jetzt eine andere Methode in der Behandlung der
          Ungläubigen zur Anwendung. Die nach den
          Grundsätzen der Omar’schen Politik der Duldung
          mit den Ungläubigen abgeschlossenen Kapitulationen
          wurden aufgehoben. Ihre Kirchen und Tempel wurden
          niedergerissen. Das Vermögen der Reichsten unter
          ihnen wurde zu Gunsten der Staatskasse konfisziert.
          Christen, Juden und Perser mußten schon
          äußerlich durch ihre Kleidung als Nichtmuslime
          sich kenntlich machen. Die Angehörigen dieses
          Religionsbekenntnisses wurden aus allen Staatsämtern
          entlassen, um die so freigewordenen Versorgungsstellen
          künftig nur mit Muslime zu besetzen. Nur im Berufe
          der Aerzte und der Geldwechsler
          wurden Andersgläubige fortan noch geduldet. Die
          innere Notwendigkeit dieser politischen Wendung ist klar.
          War man aus fiskalischen Gründen gezwungen, die
          Neubekehrten schlechter zu behandeln als die Alt-Muslime,
          so mußten zum Ausgleich im Interesse des Islam die
          Nichtmuslime um einige Grade schlechter behandelt werden.
          Namentlich die Araber haben auch jetzt wieder die
          für sie frei gewordenen oder neu geschaffenen
          Staatsstellen mit dem ihnen in so hohem Grade eigenen
          Verständnis verwaltet. Ein Staatskommissar, welcher
          den Auftrag erhalten hatte, die Feuertempel der Perser im
          Reiche zu zerstören, wußte bei Erfüllung
          seiner Mission 40 Millionen Franken zu erübrigen.
          Die Feuertempel der armen Kultusgemeinden wurden
          zerstört, wo aber reiche Gemeinden entsprechende
          Ablösungs summen zahlen
          konnten, blieben die zum Abbruch bestimmten Tempel
          unberührt.
summen zahlen
          konnten, blieben die zum Abbruch bestimmten Tempel
          unberührt.
          § 31. Daß speziell den Bauern
          gegenüber mit der Steuerschraube über
          das bereits erreichte Maß nicht hinausgegangen
          werden könne, ohne die Staatseinnahmen selbst auf
          das Schwerste zu schädigen, hat der tüchtigste
          Statthalter Abdalmelik’s
          Haggag in der reichsten Provinz Irak bald
          genug erfahren. Nachdem die Jahreseinnahmen aus der
          Grundsteuer zunächst auf 118 Millionen Franken
          gestiegen waren, gingen sie infolge der neuen
          Steuererhöhungen auf 40, nach anderen Quellen sogar
          auf nur 16 Millionen Franken zurück. Die weitaus
          größte Einnahmequelle des Staates war
          nämlich die auf dem Getreidebau ruhende Grundsteuer.
          Als diese Abgabe so sehr erhöht wurde, daß die
          Bauern, trotz solidarischer Steuerhaftpflicht der
          Gemeinden, sie nicht mehr tragen konnten, ließen
          sie die Felder brach liegen und ernährten sich von
          der Viehhaltung. Haggag verfiel dann auf das Mittel, den
          Bauern das Schlachten der Rinder für den eigenen
          Bedarf zu verbieten. Aber die Erträge der
          Grundsteuer in Irak haben sich doch erst nach Haggag
          unter der milderen Regierung Omars II. (717—720)
          wieder auf 120 Millionen Franken gehoben.
          Unter solchen Umständen blieb immer noch
          ein neuer Raubzug in die Länder der
          Ungläubigen am dankbarsten. Nachdem im Jahre
          693 n. Chr. die Einigung der Muslime geglückt war,
          wurden unter Abdalmelik und Walid
          I. (705—715) die Eroberungszüge nach
          Osten wie nach Westen fortgesetzt. Das Unternehmen gegen
          Indien kostete jährlich 60 Millionen
          und brachte eine jährliche Einnahme von 120
          Millionen. So wurden jetzt Turkestan, Cilicien,
          Armenien, Kleinasien, Sardinien, die
          Balearen und der größere Teil von
          Spanien dem arabisch-islamischen Weltreiche
          einverleibt und eine außer ordentlich
          reiche Kriegsbeute eingeheimst. Das Chalifat
          erreichte damit die größte Ausdehnung als
          einheitliches Reich.
ordentlich
          reiche Kriegsbeute eingeheimst. Das Chalifat
          erreichte damit die größte Ausdehnung als
          einheitliches Reich.
          § 32. Trotzdem ging die Omaijadenherrschaft
          bereits ihrem blutigen Ende entgegen. Die
          Eroberungen in den Ländern der Ungläubigen mit
          dem Ertrage der Kriegsbeuten erreichten allmählich
           ihre natürlichen Grenzen. Den
          fortgesetzten Angriffen der Muslime gegenüber
          zeigten sich die Mauern von Konstantinopel
          noch bis zum Jahre 1453 überlegen. Ganz Nordafrika
          und den größeren Teil von Spanien konnten die
          Araber erobern. Als sie aber durch die baskischen
          Pässe nach Südfrankreich einfielen, begegneten
          sie der Kriegsmacht des Frankenreiches unter
          Karl Martell. Nach der Schlacht
          zwischen Tours und Poitiers (732 n. Chr.) war von
          einem weiteren Vordringen der islamischen
           Waffen nach dieser Seite keine
          Rede mehr. Durch die fortgesetzten Eroberungen war auch
          das Islamische Reich bereits zu groß geworden. Ein
          Ländergebiet von mindestens der
          Flächenausdehnung des europäischen Kontinentes
          ließ sich, trotz der vorzüglich organisierten
          Reichspost, auf die Dauer von einer Stelle
          aus durch eine Hand nicht leiten. Schon im Jahre 756 n.
          Chr. löst Abderrachmann I. Spanien als
          Chalifat von Cordova vom einheitlichen Reiche ab
          und wenig über 50 Jahre später ist der
          Abbröckelungsprozeß im Reiche
          allgemein. Bevor noch diese Ereignisse eintraten, zeigten
          sich immer deutlicher in der Familie des Omaijaden
          die Symptome der Degeneration.
          § 33. Das jährliche Einkommen des
          Chalifen mit 300 bis 400 Millionen Franken war zu
          groß, um nicht maßlose Genußsucht auf
          Seiten des Regenten und gefährlichen Neid selbst
          innerhalb der herrschenden Familie aufkommen zu lassen.
          Die einzelnen Familiengruppen  der
          Omaijaden bekämpften einander um das Chalifenamt und
          sein Einkommen und benutzten dabei in der üblichen
          Weise Gift und Dolch, um die Regierungszeit des
          jeweiligen Herrschers tunlichst abzukürzen. Jetzt
          erst wurde das scheußliche System der
          Haremswirtschaft eingeführt. Das
          übermäßige Einkommen der Reichen hatte
          gewinnsüchtige Unternehmer ein Geschäft daraus
          machen lassen, junge, besonders hübsche Sklavinnen
          zu erwerben, sie in den raffiniertesten Künsten der
          Verführung besonders zu unterrichten und dann zu
          Preisen bis 170'000 Francs an einen Liebhaber zu
          verkaufen. So kam die altgriechische
          Hetärenwirtschaft wieder auf. In
          gleichem Maße hielt man es für nötig, die
          legitimen Frauen durch die tausende, aus dem christlichen
          Byzanz erst bezogenen Eunuchen im Hause
          streng bewachen zu lassen. Es nützte wenig,
          daß die gleichzeitige arabische Literatur die volle
          Schale ihres Zornes über diese so bedenklichen
          Neuerungen gegossen. Selbst die Chalifen waren jetzt
          meist Söhne griechischer und persischer Sklavinnen.
          Mit den Eunuchen übernahm man aus Byzanz bald auch
          das altgriechische Laster der Knabenliebe.
          Die Sitten wurden immer roher, die Stellung der Frau eine
          immer ungünstigere. Die Auffassung politischer
          Verpflichtungen dem Gemeinwesen gegenüber reduzierte
          sich bis zu dem Maße, daß die Schmeichler und
          Günstlinge des Chalifen Hischam
          (724—743 n. Chr.) es für überflüssig
          hielten, die ihnen übertragenen Statthalterposten in
          den Provinzen persönlich anzutreten. Sie blieben
          vielmehr in der herrlichen Residenz am wasserreichen
          Baroda, amüsierten sich auch ferner mit dem Chalifen
          und schickten nach den bedauernswerten
          Provinzen selbst beglaubigte Procuratoren,
          die nur den Auftrag hatten, die Taschen ihrer Herren
          möglichst zu füllen. Daß sie dabei ihre
          eigene Tasche nicht vergessen haben, war
          selbstverständlich. Es kann kaum
 der
          Omaijaden bekämpften einander um das Chalifenamt und
          sein Einkommen und benutzten dabei in der üblichen
          Weise Gift und Dolch, um die Regierungszeit des
          jeweiligen Herrschers tunlichst abzukürzen. Jetzt
          erst wurde das scheußliche System der
          Haremswirtschaft eingeführt. Das
          übermäßige Einkommen der Reichen hatte
          gewinnsüchtige Unternehmer ein Geschäft daraus
          machen lassen, junge, besonders hübsche Sklavinnen
          zu erwerben, sie in den raffiniertesten Künsten der
          Verführung besonders zu unterrichten und dann zu
          Preisen bis 170'000 Francs an einen Liebhaber zu
          verkaufen. So kam die altgriechische
          Hetärenwirtschaft wieder auf. In
          gleichem Maße hielt man es für nötig, die
          legitimen Frauen durch die tausende, aus dem christlichen
          Byzanz erst bezogenen Eunuchen im Hause
          streng bewachen zu lassen. Es nützte wenig,
          daß die gleichzeitige arabische Literatur die volle
          Schale ihres Zornes über diese so bedenklichen
          Neuerungen gegossen. Selbst die Chalifen waren jetzt
          meist Söhne griechischer und persischer Sklavinnen.
          Mit den Eunuchen übernahm man aus Byzanz bald auch
          das altgriechische Laster der Knabenliebe.
          Die Sitten wurden immer roher, die Stellung der Frau eine
          immer ungünstigere. Die Auffassung politischer
          Verpflichtungen dem Gemeinwesen gegenüber reduzierte
          sich bis zu dem Maße, daß die Schmeichler und
          Günstlinge des Chalifen Hischam
          (724—743 n. Chr.) es für überflüssig
          hielten, die ihnen übertragenen Statthalterposten in
          den Provinzen persönlich anzutreten. Sie blieben
          vielmehr in der herrlichen Residenz am wasserreichen
          Baroda, amüsierten sich auch ferner mit dem Chalifen
          und schickten nach den bedauernswerten
          Provinzen selbst beglaubigte Procuratoren,
          die nur den Auftrag hatten, die Taschen ihrer Herren
          möglichst zu füllen. Daß sie dabei ihre
          eigene Tasche nicht vergessen haben, war
          selbstverständlich. Es kann kaum  überraschen, daß unter
          solchen Umständen die Statthaltereien einzelner
          Provinzen es bald unterlassen haben, irgend welchen
          Ueberschuß an die Zentralstaatskasse
          abzuführen.
 überraschen, daß unter
          solchen Umständen die Statthaltereien einzelner
          Provinzen es bald unterlassen haben, irgend welchen
          Ueberschuß an die Zentralstaatskasse
          abzuführen.
          § 34. Mitten in dieser Regentenreihe der
          Schlemmer und Prasser steht der einfache, milde, gerechte
          und fromme Omar II. (718 bis 719 n. Chr.)
          Die Strenggläubigen hatten
          große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Jedenfalls war er
          ehrlich bemüht, in Recht und Sitte zu den
          Grundsätzen des Propheten und der ersten Chalifen
          zurück zu kehren. Ueberall sollte die alte
          Einfachheit wieder eingeführt werden. In der
          überprächtigen Moschee zu Damaskus wurden alle
          kostbaren Prunkstücke verhüllt. In der
          Verwaltung der Staatsangelegenheiten sollten wieder Recht
          und Gerechtigkeit gelten. Das so wichtige Verbot Omars I.
          außerhalb Arabiens als Araber keinen Grundbesitz zu
          erwerben, wurde erneuert. Und wenn auch die inzwischen
          erworbenen Rechte ausdrücklich anerkannt wurden, so
          sollte doch jeder neue Grundbesitzerwerb durch Araber in
          den eroberten Ländern null und nichtig sein. Im
          Hinblick auf den Wortlaut der alten Omar’schen
          Bestimmungen war das alles gewiß verständlich.
          Aber die inzwischen völlig veränderten
          Zeitverhältnisse mußten ein solches Gesetz in
          neues Unrecht wandeln. Denn die Zeit der
          Omar’schen Staatsdotationen war vorbei. Der
          Grundbesitzerwerb durch Araber in den eroberten
          Ländern war eine der Möglichkeiten, sich und
          seinen Nachkommen ein anderes arbeitsloses Einkommen und
          damit einen Ersatz für die verlorenen
          Staatsdotationen zu verschaffen. In diese ausgleichende
          Entwickelung durch ein Verbot einzugreifen, mußte
          als eine Ungerechtigkeit namentlich auf Seiten jener
          Araber empfunden werden, welche bis dahin noch keinen,
          oder einen geringen Grundbesitz in den neuen Provinzen
          erworben hatten.
           Ferner wurde der arabische
          Großgrundbesitzer durch Omar II. daran erinnert,
          daß auch er den Zehent an die Staatskasse zu zahlen
          habe. Den Statthaltern aber ließ er den Auftrag
          zugehen, alle der Bevölkerung ungerecht auferlegten
          Steuern nicht mehr zu erheben. Die Statthalter und
          Steuereinnehmer ließen sich das nicht zweimal
          sagen. Die eigentlich ungerechten Steuern wurden von
          ihnen zwar vielfach nach wie vor erhoben, der auf der
          Bevölkerung lastende Steuerdruck keineswegs
          überall gemindert, wohl aber hatten die habgierigen
          Staatsverwalter jetzt eine ausgezeichnete Ausrede, um
          möglichst viel von den Staatseinnahmen in ihre
          Tasche verschwinden zu lassen und dann an die
          Zentralkasse zu berichten: „Nach Erlaß der
          ungerechten Steuern sind die Einnahmen so zurück
          gegangen, daß sie von den lokalen Ausgaben
          verschlungen wurden.“ Einzelne Statthalter hatten
          sogar die Unverfrorenheit, sich mit dieser Motivierung
          vom Chalifen noch Zuschüsse für ihre Provinzen
          zahlen zu lassen. So wurden denn die Kassen des Chalifen
          rasch leer. Die Soldzahlungen an seine Truppen blieben im
          Rückstand. Auch für die Mitglieder der
          herrschenden Familie mußte jetzt viel weniger
          abfallen, als früher. Die auffallende Hinneigung
          Omar II. zu den Aliden, welche als direkte
          Nachkommen des Propheten die geschworenen Feinde der
          Omaijaden-Dynastie waren, tat das Uebrige. Nach nicht
          ganz zweijähriger Regierung wurde Omar II. von
          seinen eigenen Verwandten vergiftet. Sein
          Nachfolger hat die von ihm getroffenen prinzipiellen
          Bestimmungen sofort wieder aufgehoben.
 Ferner wurde der arabische
          Großgrundbesitzer durch Omar II. daran erinnert,
          daß auch er den Zehent an die Staatskasse zu zahlen
          habe. Den Statthaltern aber ließ er den Auftrag
          zugehen, alle der Bevölkerung ungerecht auferlegten
          Steuern nicht mehr zu erheben. Die Statthalter und
          Steuereinnehmer ließen sich das nicht zweimal
          sagen. Die eigentlich ungerechten Steuern wurden von
          ihnen zwar vielfach nach wie vor erhoben, der auf der
          Bevölkerung lastende Steuerdruck keineswegs
          überall gemindert, wohl aber hatten die habgierigen
          Staatsverwalter jetzt eine ausgezeichnete Ausrede, um
          möglichst viel von den Staatseinnahmen in ihre
          Tasche verschwinden zu lassen und dann an die
          Zentralkasse zu berichten: „Nach Erlaß der
          ungerechten Steuern sind die Einnahmen so zurück
          gegangen, daß sie von den lokalen Ausgaben
          verschlungen wurden.“ Einzelne Statthalter hatten
          sogar die Unverfrorenheit, sich mit dieser Motivierung
          vom Chalifen noch Zuschüsse für ihre Provinzen
          zahlen zu lassen. So wurden denn die Kassen des Chalifen
          rasch leer. Die Soldzahlungen an seine Truppen blieben im
          Rückstand. Auch für die Mitglieder der
          herrschenden Familie mußte jetzt viel weniger
          abfallen, als früher. Die auffallende Hinneigung
          Omar II. zu den Aliden, welche als direkte
          Nachkommen des Propheten die geschworenen Feinde der
          Omaijaden-Dynastie waren, tat das Uebrige. Nach nicht
          ganz zweijähriger Regierung wurde Omar II. von
          seinen eigenen Verwandten vergiftet. Sein
          Nachfolger hat die von ihm getroffenen prinzipiellen
          Bestimmungen sofort wieder aufgehoben.
          § 35. Die Unzufriedenheit mit den
          herrschenden Zuständen im Reiche war trotzdem
          nicht kleiner geworden. Wie das Volk noch
          heute für die objektiven Gewalten der
          volkswirtschaftlichen Verhältnisse keinen Blick hat,
          sondern in seiner Kurzsichtigkeit immer geneigt  ist, für gute wie für
          schlechte Zeitverhältnisse in erster Linie den
          Regenten und die Regierung verantwortlich zu machen, so
          auch hier. Die Omaijadendynastie trug für alle
          ungünstiger gewordenen Verhältnisse die Schuld.
          Die Orthodoxen konnten diese Auffassung wenigstens mit
          einem gewissen Maße der Berechtigung vertreten. Es
          war zum Mindesten widersinnig, daß ein durch
          Gründung einer neuen Religion ins Leben gerufenes
          Staatswesen von einer Familie regiert wurde, deren
          Mitglieder fast durchweg eben dieser Religion feindlich
          gesinnt waren und deren Regentenhände nur zu stark
          mit heiligem Märtyrerblut sich befleckt hatten. Was
          durch die Tätigkeit der islamischen
          Missionare namentlich in
          Persien an Neumuslimen gewonnen
          wurde, nahm mit der neuen Lehre auch den Haß
          gegen die Omaijaden in sich auf. Die ungleiche
          Behandlung der Alt- und Neu-Muslime in der Besteuerung,
          trotz des entgegenstehenden klaren Wortlautes im Koran
          mag auch hier seine Rolle mitgespielt haben. Zu dieser
          wachsenden Macht der Strenggläubigen gesellte sich
          die Macht der Unzufriedenen. Beide Bewegungen wußte
          sich der mekkanische Aristokrat Ibrahim, ein
          Urenkel Abbas, und mithin der Nachkomme
          eines Oheims des Propheten in äußerst
          geschickter Weise dienstbar zu machen. Zwar siegten noch
          einmal die Waffen des Chalifen und Ibrahim wurde im
          Kerker ermordet, Aber in eben diesem Kerker hatte er
          seinen Anspruch auf das Chalifat an Abul
          Abbas abgegeben, der mit Hülfe seines Oheims
          und Feldherrn Abdallah den letzten
          Omaijaden-Chalifen Merwan II. schlug und
          vernichtete und als Abul Abbas I. (750 bis
          754 n. Chr.) die Reihe der Abbasidenchalifen
          eröffnete.
 ist, für gute wie für
          schlechte Zeitverhältnisse in erster Linie den
          Regenten und die Regierung verantwortlich zu machen, so
          auch hier. Die Omaijadendynastie trug für alle
          ungünstiger gewordenen Verhältnisse die Schuld.
          Die Orthodoxen konnten diese Auffassung wenigstens mit
          einem gewissen Maße der Berechtigung vertreten. Es
          war zum Mindesten widersinnig, daß ein durch
          Gründung einer neuen Religion ins Leben gerufenes
          Staatswesen von einer Familie regiert wurde, deren
          Mitglieder fast durchweg eben dieser Religion feindlich
          gesinnt waren und deren Regentenhände nur zu stark
          mit heiligem Märtyrerblut sich befleckt hatten. Was
          durch die Tätigkeit der islamischen
          Missionare namentlich in
          Persien an Neumuslimen gewonnen
          wurde, nahm mit der neuen Lehre auch den Haß
          gegen die Omaijaden in sich auf. Die ungleiche
          Behandlung der Alt- und Neu-Muslime in der Besteuerung,
          trotz des entgegenstehenden klaren Wortlautes im Koran
          mag auch hier seine Rolle mitgespielt haben. Zu dieser
          wachsenden Macht der Strenggläubigen gesellte sich
          die Macht der Unzufriedenen. Beide Bewegungen wußte
          sich der mekkanische Aristokrat Ibrahim, ein
          Urenkel Abbas, und mithin der Nachkomme
          eines Oheims des Propheten in äußerst
          geschickter Weise dienstbar zu machen. Zwar siegten noch
          einmal die Waffen des Chalifen und Ibrahim wurde im
          Kerker ermordet, Aber in eben diesem Kerker hatte er
          seinen Anspruch auf das Chalifat an Abul
          Abbas abgegeben, der mit Hülfe seines Oheims
          und Feldherrn Abdallah den letzten
          Omaijaden-Chalifen Merwan II. schlug und
          vernichtete und als Abul Abbas I. (750 bis
          754 n. Chr.) die Reihe der Abbasidenchalifen
          eröffnete.
          § 36. Mit der Ablösung der
          Omaijaden-Dynastie durch die Abbasiden ist namentlich die
          arabische Bevölkerung des Reiches aus dem Regen
          unter die Traufe gekommen. Es war also doch ein
          großer Irrtum, zu behaupten, die  von frommen Leuten so oft verfluchten
          Omaijadenchalifen seien die eigentliche Ursache der immer
          schlechter werdenden Zeitverhältnisse. Abbas I.
          hatte sich selbst den Beinamen „el
          Saffah“, d.i.
          „Blutvergießer“, gegeben.
          So etwas wie ein menschliches Gewissen schienen die
          Mitglieder dieses Fürstenhauses nicht zu besitzen.
          Von einer ununterbrochenen Reihe von Mord, Meineid und
          Meuchelmord wird ihre Regierungstätigkeit begleitet.
          Zunächst mußten natürlich die
          Anhänger der gehaßten Omaijaden tunlichst
          rasch ins Jenseits befördert werden. Es wird
          berichtet, daß von diesem Loose in dem
          leichtlebigen Syrien allein 60'000 Menschen betroffen
          worden seien. Nach der Ermordung des letzten
          Omaijadenchalifen kam es zu einer feierlichen
          Aussöhnung mit den Omaijaden-Prinzen, die dann
          sämtlich zu einem Gastmahl nach Mekka geladen
          wurden, um hier — trotz der bestimmtesten
          feierlichsten Zusicherungen — abgeschlachtet zu
          werden. Wer Abbas I. nicht als Chalifen anerkennen
          wollte, wurde sofort hingerichtet. Wer politisch
          irgendwie nur verdächtig war, dem wurden Hände
          und Füße abgehauen. Später wurde
          hierfür lebendiges Einmauern beliebt. Selbst die
          besten Freunde des Chalifen, wie sein eigener Oheim und
          Feldherr Abdallah, dem er eigentlich alles zu verdanken
          hatte, fielen einer Mordwaffe dieses Blutvergießers
          zum Opfer. Diese Regierungsgrundsätze wurden von
          fast allen Abbasidenchalifen treu befolgt. Nur wenn der
          jeweilige Machthaber gerade sehr vetterlich aufgelegt
          war, begnügte er sich seinen eigenen Verwandten
          gegenüber damit, dem Opfer seiner Politik oder
          seiner schlechten Laune mit einem glühend gemachten
          Eisenstift über beide Augäpfel zu streichen und
          es so zu „blenden“. Diese neronische
          Veranlagung der Abbasiden ging so weit, daß der
          Chalife Mutadhid (892 bis 902 n. Chr.) in
          einem nervösen Wutanfall eine große Zahl
          seiner Diener und Dienerinnen ohne jedes Verschulden
 von frommen Leuten so oft verfluchten
          Omaijadenchalifen seien die eigentliche Ursache der immer
          schlechter werdenden Zeitverhältnisse. Abbas I.
          hatte sich selbst den Beinamen „el
          Saffah“, d.i.
          „Blutvergießer“, gegeben.
          So etwas wie ein menschliches Gewissen schienen die
          Mitglieder dieses Fürstenhauses nicht zu besitzen.
          Von einer ununterbrochenen Reihe von Mord, Meineid und
          Meuchelmord wird ihre Regierungstätigkeit begleitet.
          Zunächst mußten natürlich die
          Anhänger der gehaßten Omaijaden tunlichst
          rasch ins Jenseits befördert werden. Es wird
          berichtet, daß von diesem Loose in dem
          leichtlebigen Syrien allein 60'000 Menschen betroffen
          worden seien. Nach der Ermordung des letzten
          Omaijadenchalifen kam es zu einer feierlichen
          Aussöhnung mit den Omaijaden-Prinzen, die dann
          sämtlich zu einem Gastmahl nach Mekka geladen
          wurden, um hier — trotz der bestimmtesten
          feierlichsten Zusicherungen — abgeschlachtet zu
          werden. Wer Abbas I. nicht als Chalifen anerkennen
          wollte, wurde sofort hingerichtet. Wer politisch
          irgendwie nur verdächtig war, dem wurden Hände
          und Füße abgehauen. Später wurde
          hierfür lebendiges Einmauern beliebt. Selbst die
          besten Freunde des Chalifen, wie sein eigener Oheim und
          Feldherr Abdallah, dem er eigentlich alles zu verdanken
          hatte, fielen einer Mordwaffe dieses Blutvergießers
          zum Opfer. Diese Regierungsgrundsätze wurden von
          fast allen Abbasidenchalifen treu befolgt. Nur wenn der
          jeweilige Machthaber gerade sehr vetterlich aufgelegt
          war, begnügte er sich seinen eigenen Verwandten
          gegenüber damit, dem Opfer seiner Politik oder
          seiner schlechten Laune mit einem glühend gemachten
          Eisenstift über beide Augäpfel zu streichen und
          es so zu „blenden“. Diese neronische
          Veranlagung der Abbasiden ging so weit, daß der
          Chalife Mutadhid (892 bis 902 n. Chr.) in
          einem nervösen Wutanfall eine große Zahl
          seiner Diener und Dienerinnen ohne jedes Verschulden
           ihrerseits hinrichten ließ.
          Für die Person des Chalifen wurde auf solche Weise
          naturgemäß keine größere Sicherheit
          geschaffen. Unter fünf Abbasidenchalifen haben
          mindestens immer vier ein gewaltsames Ende gefunden. Kann
          es überraschen, daß unter einer solchen
          Regierung das ganze arabisch-islamische Weltreich in
          einem Meere von Blut untergehen mußte?
 ihrerseits hinrichten ließ.
          Für die Person des Chalifen wurde auf solche Weise
          naturgemäß keine größere Sicherheit
          geschaffen. Unter fünf Abbasidenchalifen haben
          mindestens immer vier ein gewaltsames Ende gefunden. Kann
          es überraschen, daß unter einer solchen
          Regierung das ganze arabisch-islamische Weltreich in
          einem Meere von Blut untergehen mußte?
          § 37. Mit dieser furchtbaren Gewissenlosigkeit
          verknüpften die Abbasiden den Schein tiefster
          Frömmigkeit. Die religiösen Vorschriften
          des Koran wurden in der Oeffentlichkeit wenigstens auf
          das Gewissenhafteste erfüllt, die orthodoxe Partei
          in jeder Weise unterstützt. Jetzt sollte auf
          Kommando dem Volke wieder eine größere
          Religiösität beigebracht werden. Die
          ungünstigere Behandlung der Neumuslime
          in der Besteuerung, welche durch die Omaijaden
          eingeführt worden war, wurde unter den Abbasiden
          aufgehoben. Neumuslim und Araber fanden
          jetzt die gleiche Behandlung vor dem Gesetze, aber
          gewiß nicht nur deshalb, weil es so der Koran
          bestimmte, sondern wohl auch deshalb, weil die
          Abbasidenherrschaft die Unterstützung durch die
          neubekehrten Perser nicht entbehren konnte. Nur die
          beiden Chalifen Mamûn (813 bis 833 n.
          Chr.) und Motassim (833 bis 842 n. Chr.)
          sind etwas aus der orthodoxen Rolle der Abbasiden
          gefallen, insofern sie Gegner der extrem theologischen
          Richtung waren und eine freie wissenschaftliche
          Forschung allgemein begünstigten. Für so
          weitgehende Unterstützung durch die Abbasiden
          zeigten sich die Strenggläubigen dankbar, indem sie
          der Dynastie den Ehrentitel „von Gottes
          Gnaden“ beilegten.
          Anders muß der einfache Mann im Volke
          vielfach gedacht und empfunden haben. Man hatte
          die Vereinigung der Regierungsgewalt mit der
          strenggläubigen Richtung vor Augen. Daß die
          Verhältnisse vorher unter  den
          gottlosen Omaijaden-Chalifen immer schlechter wurden,
          schien selbstverständlich. Daß aber jetzt die
          allgemeinen Verhältnisse immer noch
          schlechter wurden, mußte das Denkvermögen des
          armen Volkes vielfach zur Verzweiflung an Gott und den
          Menschen bringen. Das war der Boden, aus dem die
          Bildung neuer Sekten und Glaubensanschauungen in
          ungewöhnlich großer Hast mit teils
          kommunistischem, teils sogar
          anarchistischem Charakter empor gewachsen
          ist. Und immer allgemeiner bestärkte sich dabei im
          Volke der Glaube an die Wiederkehr eines
          Welterlösers oder doch eines neuen Propheten, der
          das Volk aus allem Jammer wieder befreien werde. Bei dem
          furchtbaren Regiment der weltlichen Gewalt gebot die
          Selbsterhaltung einer jeden solchen neuen
          Glaubensgemeinde die Form des Geheimen und
          des Geheimnisvollen. So wird uns jetzt von den
          Zendiken, den Mosdakiten, den
          Ismaeliten, den Karmaten, den
          Fatimiden, den Charidschiten,
          den Dschafars, den Drusen
          u.s.w. denen schließlich auch
          die Aliden zuzuzählen sind,
          berichtet.
 den
          gottlosen Omaijaden-Chalifen immer schlechter wurden,
          schien selbstverständlich. Daß aber jetzt die
          allgemeinen Verhältnisse immer noch
          schlechter wurden, mußte das Denkvermögen des
          armen Volkes vielfach zur Verzweiflung an Gott und den
          Menschen bringen. Das war der Boden, aus dem die
          Bildung neuer Sekten und Glaubensanschauungen in
          ungewöhnlich großer Hast mit teils
          kommunistischem, teils sogar
          anarchistischem Charakter empor gewachsen
          ist. Und immer allgemeiner bestärkte sich dabei im
          Volke der Glaube an die Wiederkehr eines
          Welterlösers oder doch eines neuen Propheten, der
          das Volk aus allem Jammer wieder befreien werde. Bei dem
          furchtbaren Regiment der weltlichen Gewalt gebot die
          Selbsterhaltung einer jeden solchen neuen
          Glaubensgemeinde die Form des Geheimen und
          des Geheimnisvollen. So wird uns jetzt von den
          Zendiken, den Mosdakiten, den
          Ismaeliten, den Karmaten, den
          Fatimiden, den Charidschiten,
          den Dschafars, den Drusen
          u.s.w. denen schließlich auch
          die Aliden zuzuzählen sind,
          berichtet.
          Für die bestehende Staatsverfassung und die
          herrschende Chalifenfamilie lag — wie die
          Geschichte des Islam selbst zur Genüge lehrte
          — in diesen geheimen Sekten eine große
          Gefahr. Nicht minder peinlich fühlten sich die
          Strenggläubigen durch diese Neuerer auf dem
          Glaubensgebiete berührt. Durch das Zusammenwirken
          dieser beiden Interessenkreise zu ihrem gegenseitigen
          Schutze kam der furchtbare islamische
          Ketzerprozeß zu Stande. Für Ketzer im
          allgemeinen gebrauchte man das persische Wort
          Zendik d.h. Zauberer.
          Man klagte den Einzelnen des Zendikismus an.
          Der Großinquisitor hieß
          Zendikmeister. Die Ketzer wurden öffentlich
          verflucht und sobald man ihrer habhaft wurde, gefoltert,
          gekreuzigt, verbrannt oder auf irgend eine andere Art
          hingerichtet. Das Ver mögen
          der Ketzer wurde zu Gunsten der Staatskasse konfisziert.
          Die ketzerischen Bücher und Schriften wurden dem
          Feuer überliefert. Der Großinquisitor hatte
          das kirchliche Aufsichtsrecht auch über den
          Chalifen, welcher, unbedeutender Religionsvergehen
          halber, selbst strengere Bußen ohne Widerrede sich
          gefallen ließ. Die Hinrichtungen der Ketzer wurden
          im arabischen Spanien wenigstens mit öffentlichen
          Volksbelustigungen verknüpft. Die Einführung
          dieses islamischen Ketzerprozesses scheint vor dem Jahre
          779 n. Chr. erfolgt zu sein. Wir hören von nun ab
          immer wieder von außerordentlich umfangreichen
          Ketzerverfolgungen. Und nicht selten wird dieser kurze
          summarische Prozeß auch angewendet, um
          persönliche oder politische Gegner rasch aus dem
          Wege zu schaffen.
mögen
          der Ketzer wurde zu Gunsten der Staatskasse konfisziert.
          Die ketzerischen Bücher und Schriften wurden dem
          Feuer überliefert. Der Großinquisitor hatte
          das kirchliche Aufsichtsrecht auch über den
          Chalifen, welcher, unbedeutender Religionsvergehen
          halber, selbst strengere Bußen ohne Widerrede sich
          gefallen ließ. Die Hinrichtungen der Ketzer wurden
          im arabischen Spanien wenigstens mit öffentlichen
          Volksbelustigungen verknüpft. Die Einführung
          dieses islamischen Ketzerprozesses scheint vor dem Jahre
          779 n. Chr. erfolgt zu sein. Wir hören von nun ab
          immer wieder von außerordentlich umfangreichen
          Ketzerverfolgungen. Und nicht selten wird dieser kurze
          summarische Prozeß auch angewendet, um
          persönliche oder politische Gegner rasch aus dem
          Wege zu schaffen.
          Nicht überall ist es indeß der
          Staatsregierung und den Strenggläubigen gelungen,
          mit Hilfe des Ketzerprozesses der betreffenden Bewegung
          Herr zu werden. So gründete z.B. Hassan Ibn Said unter dem
          Chalifen Mustein (862 bis 866 n. Chr.) in
          Tabaristan ein unabhängiges Reich, das
          durch 50 Jahre bestehen konnte. Obeidallah eroberte
          sich im Jahre 934 n. Chr. als Haupt der
          Geheimsekte der Fatimiden Aegypten. Die
          ketzerischen Karmaten, ein Zweig der
          Ismaeliten, haben im Jahre 930 n. Chr. Mekka
          während der Wallfahrtszeit
          überfallen, tausende von Pilgern
          getötet, die berühmte Reliquie, den schwarzen
          Stein der Kaabe geraubt und mit nach Lahsa
          genommen, wo er bis 951 n. Chr. verblieben ist. Erst seit
          1037 n. Chr. ist diese Sekte verschwunden. Von den Lehren
          dieser verschiedenen Sekten wissen wir wenig. Die auf uns
          überkommenen Darstellungen ihrer gehässigen
          Gegner, welche zumeist von Weiber- und
          Gütergemeinschaft erzählen, können als
          objektive Berichte nicht gelten.
          § 38. Zur Zeit der schon vollständigen
          Auflösung der arabisch-islamischen Reichsgewalt
          kommt zu diesen  ketzerischen
          Sektenbildungen noch die eigenartige anarchistische
          Organisation der Assassinen. Hassan Ibn
          Ssabbach bemächtigte sich im Jahre 1090 n.
          Chr. der am Randgebirge des kaspischen Meeres gelegenen
          Felsenburg Alamut (d.i.
          Adlernest). Dieser Mann suchte sich aus den Reihen der
          Ismaeliten geeignete Werkzeuge, gab ihnen das jetzt
          aufkommende Opium und Haschisch, ein narkotisches
          Hanfpräparat, und machte dann die Leute glauben,
          daß die schönen Träume, welche sie
          gehabt, ihnen einen Einblick in die Paradiesesfreuden
          gewährt hätten, kraft der ihm verliehenen
          göttlichen Macht. Den so Betörten drückte
          Hassan dann einen Dolch in die Hand mit dem Auftrage,
          eine bestimmte Person nach seinen Dispositionen zu
          ermorden. Fände der Beauftragte bei Ausführung
          dieses Befehls seinen Tod, so komme er direkt in das
          Paradies, dessen Freuden er ja bereits gekostet habe. Die
          islamischen Todbringer dieser Art heißen
          „Fedwari“. Ihr Name
          „Assassinen“ gebildet von
          „Haschaschin“ wurde von dem
          berauschenden „Haschisch“ abgeleitet und
          bedeutet „Hanfraucher“. Mit der Ausbreitung
          dieser Sekte im Lande hielt ihre Organisation Schritt.
          Auf Dutzenden von Felsenburgen im Gebirge waren ihre
          Filialen verteilt und ein vorzüglicher
          Nachrichtendienst mit Brieftauben und Spionen
          ermöglichte die stramme einheitliche Leitung von
          Alamut aus.
 ketzerischen
          Sektenbildungen noch die eigenartige anarchistische
          Organisation der Assassinen. Hassan Ibn
          Ssabbach bemächtigte sich im Jahre 1090 n.
          Chr. der am Randgebirge des kaspischen Meeres gelegenen
          Felsenburg Alamut (d.i.
          Adlernest). Dieser Mann suchte sich aus den Reihen der
          Ismaeliten geeignete Werkzeuge, gab ihnen das jetzt
          aufkommende Opium und Haschisch, ein narkotisches
          Hanfpräparat, und machte dann die Leute glauben,
          daß die schönen Träume, welche sie
          gehabt, ihnen einen Einblick in die Paradiesesfreuden
          gewährt hätten, kraft der ihm verliehenen
          göttlichen Macht. Den so Betörten drückte
          Hassan dann einen Dolch in die Hand mit dem Auftrage,
          eine bestimmte Person nach seinen Dispositionen zu
          ermorden. Fände der Beauftragte bei Ausführung
          dieses Befehls seinen Tod, so komme er direkt in das
          Paradies, dessen Freuden er ja bereits gekostet habe. Die
          islamischen Todbringer dieser Art heißen
          „Fedwari“. Ihr Name
          „Assassinen“ gebildet von
          „Haschaschin“ wurde von dem
          berauschenden „Haschisch“ abgeleitet und
          bedeutet „Hanfraucher“. Mit der Ausbreitung
          dieser Sekte im Lande hielt ihre Organisation Schritt.
          Auf Dutzenden von Felsenburgen im Gebirge waren ihre
          Filialen verteilt und ein vorzüglicher
          Nachrichtendienst mit Brieftauben und Spionen
          ermöglichte die stramme einheitliche Leitung von
          Alamut aus.
          Es ist bezeichnend für die Rolle, welche diese
          Anarchisten in den Kreuzzugswirren auch auf Seiten der
          christlichen Ritter gespielt haben, daß die damals
          von den Europäern in Kleinasien als Weltsprache
          gebrauchte französische Sprache die
          Worte assassin und assassinat
          als gleich bedeutend mit Mörder, Meuchelmord und
          schändlicher Gewalttat übernommen und bis zum
          heutigen Tage beibehalten hat. Durch 200 Jahre hat diese
          anarchistische Herrschaft weit verhängnisvoller auf
          dem arabisch- islamischen
          Reiche gelastet, als alle Kreuzzüge des christlichen
          Europa. Ganz Vorderasien zitterte vor diesen
          Mördern. Wo irgend eine bedeutende politische
          Persönlichkeit sich zeigte, die das Zeug gehabt
          hätte, in die gänzlich zerfahrenen politischen
          Verhältnisse wieder etwas Ordnung zu bringen, da
          traf sie auch schon ein Assassinendolch. Ein
          Kleinfürst in Syrien ruft 1102 n. Chr. die
          Assassinen zum Schutze seiner Herrschaft in sein Land, wo
          sie sofort sich organisieren, und neue Felsenburgen
          bauen. Selbst der Sultan Saladdin ist
          zweimal nur durch einen glücklichen Zufall dem
          für ihn bestimmten Fedwari-Dolche entkommen und hat
          sich trotzdem entschlossen, nach einem Feldzuge gegen die
          Assassinen, mit diesem Gelichter einen förmlichen
          Frieden zu schliessen. Der gefürchtete
          Mamluckensultan Beibars in Aegypten nahm die
          Assassinen in seine Dienste und verwendete sie als
          Geheimpolizisten und Henkersknechte. Der Chalife
          Nassir in Bagdad setzte sich mit dem Herrn von
          Alamut in Verbindung, um für entsprechende Zahlungen
          unbequeme islamische Fürsten ermorden zu lassen.
          Erst das Jahr 1256 n. Chr. hat die Wogen des
          Mongolensturmes auch über die steilen Gipfel der
          Felsenburg Alamut zusammenschlagen sehen. Für die
          Entstehungsgeschichte und das innere Wesen des
          islamischen Reiches aber bleibt es im höchsten
          Maße charakteristisch, daß die
          großartigste anarchistische Organisation der
          Menschengeschichte zur religiösen Begründung
          ihrer Berechtigung sich auf den Propheten
          Muhammed selbst berufen konnte, welcher sich
          ebenfalls eines Meuchelmörders bedient hatte, um
          unbequeme persönliche Gegner zu beseitigen.
islamischen
          Reiche gelastet, als alle Kreuzzüge des christlichen
          Europa. Ganz Vorderasien zitterte vor diesen
          Mördern. Wo irgend eine bedeutende politische
          Persönlichkeit sich zeigte, die das Zeug gehabt
          hätte, in die gänzlich zerfahrenen politischen
          Verhältnisse wieder etwas Ordnung zu bringen, da
          traf sie auch schon ein Assassinendolch. Ein
          Kleinfürst in Syrien ruft 1102 n. Chr. die
          Assassinen zum Schutze seiner Herrschaft in sein Land, wo
          sie sofort sich organisieren, und neue Felsenburgen
          bauen. Selbst der Sultan Saladdin ist
          zweimal nur durch einen glücklichen Zufall dem
          für ihn bestimmten Fedwari-Dolche entkommen und hat
          sich trotzdem entschlossen, nach einem Feldzuge gegen die
          Assassinen, mit diesem Gelichter einen förmlichen
          Frieden zu schliessen. Der gefürchtete
          Mamluckensultan Beibars in Aegypten nahm die
          Assassinen in seine Dienste und verwendete sie als
          Geheimpolizisten und Henkersknechte. Der Chalife
          Nassir in Bagdad setzte sich mit dem Herrn von
          Alamut in Verbindung, um für entsprechende Zahlungen
          unbequeme islamische Fürsten ermorden zu lassen.
          Erst das Jahr 1256 n. Chr. hat die Wogen des
          Mongolensturmes auch über die steilen Gipfel der
          Felsenburg Alamut zusammenschlagen sehen. Für die
          Entstehungsgeschichte und das innere Wesen des
          islamischen Reiches aber bleibt es im höchsten
          Maße charakteristisch, daß die
          großartigste anarchistische Organisation der
          Menschengeschichte zur religiösen Begründung
          ihrer Berechtigung sich auf den Propheten
          Muhammed selbst berufen konnte, welcher sich
          ebenfalls eines Meuchelmörders bedient hatte, um
          unbequeme persönliche Gegner zu beseitigen.
          § 39. Welcher Art war nun die Entwicklung
          der volkwirtschaftlichen Verhältnisse, welche
          unter den Abbasidan-Chalifen so grauenhafte
          Zustände herbeiführen konnte ?
           Wir haben bei der Gründung ihres
          Weltreiches die Araber als eine gut organisierte
          Räuberhorde kennen gelernt, welche von der
          Ueberzeugung ausging, daß die Bevölkerung der
          übrigen Welt nur dazu bestimmt sei, für die
          Araber zu arbeiten und von ihnen sich beherrschen und
          ausbeuten zu lassen. In dem Maße, als dann der
          Chalife aus einem Nachfolger des Propheten ein absoluter
          Fürst der Gläubigen geworden war, vollzog sich
          auch der Prozeß der Expropriation der
          Araber aus den Tributleistungen der eroberten Provinzen
          zu Gunsten des Chalifen. Den Arabern blieb 
           davon bald nur der 4⁄5 Anteil der Beute, welche in neuen
          Eroberungskriegen gemacht wurden. Als aber dieser
          kriegerische Beuteerwerb häufiger durch
          Bürgerkriege unterbrochen wurde, deren letzter Grund
          der Kampf um die bereits gemachte Beute war, und als nach
          und nach die Eroberungskriege auch deshalb ihr
          natürliches Ende fanden, weil andere Völker
          stark genug waren, die Araber erfolgreich abzuweisen, da
          blieb auch diesen so vornehm sich dünkenden Herren
          nichts anderes übrig, als nach einer anderen Art des
          Erwerbs Umschau zu halten.
 Wir haben bei der Gründung ihres
          Weltreiches die Araber als eine gut organisierte
          Räuberhorde kennen gelernt, welche von der
          Ueberzeugung ausging, daß die Bevölkerung der
          übrigen Welt nur dazu bestimmt sei, für die
          Araber zu arbeiten und von ihnen sich beherrschen und
          ausbeuten zu lassen. In dem Maße, als dann der
          Chalife aus einem Nachfolger des Propheten ein absoluter
          Fürst der Gläubigen geworden war, vollzog sich
          auch der Prozeß der Expropriation der
          Araber aus den Tributleistungen der eroberten Provinzen
          zu Gunsten des Chalifen. Den Arabern blieb 
           davon bald nur der 4⁄5 Anteil der Beute, welche in neuen
          Eroberungskriegen gemacht wurden. Als aber dieser
          kriegerische Beuteerwerb häufiger durch
          Bürgerkriege unterbrochen wurde, deren letzter Grund
          der Kampf um die bereits gemachte Beute war, und als nach
          und nach die Eroberungskriege auch deshalb ihr
          natürliches Ende fanden, weil andere Völker
          stark genug waren, die Araber erfolgreich abzuweisen, da
          blieb auch diesen so vornehm sich dünkenden Herren
          nichts anderes übrig, als nach einer anderen Art des
          Erwerbs Umschau zu halten.
          Als Nächstliegendes kamen natürlich die
          Aemter des Staates in Betracht. Die
          Christen, Juden und Perser wurden deshalb jetzt aus allen
          Staatsstellen verdrängt durch Araber, welche
          natürlich auch in dieser neuen Position bemüht
          waren, sich das Möglichste anzueignen. Eine andere
          Erwerbsart zeigte sich den Arabern in dem Besitz
          von Latifundien. Die Nichtaraber mußten an
          den Staat eine Grundsteuer bis zur Hälfte des
          Bruttoertrages zahlen. Die Araber hatten nominell nur den
          Zehnt zu entrichten, pflegten aber nur zu häufig
          auch diese Verpflichtung dem Staate gegenüber nicht
          zu erfüllen. Nachdem aber die erzielte Pachtrente
          für den Nichtaraber wie für den Araber die
          gleiche war, mußte der Araber aus seinen
          Grund besitzungen noch ein besonderes
          arbeitsloses Einkommen von mindestens 4⁄10 des Bruttoertrages ziehen. Doch
          das alles konnte auf die Dauer nicht genügen.
besitzungen noch ein besonderes
          arbeitsloses Einkommen von mindestens 4⁄10 des Bruttoertrages ziehen. Doch
          das alles konnte auf die Dauer nicht genügen.
          Die Polygamie durfte zu Anfang der
          arabisch-islamischen Geschichte die Berechtigung für
          sich beanspruchen, die kleine Minderheit der Eroberer,
          welche in der ihnen untergebenen Welt nur kleine Oasen
          bilden konnten, tunlichst rasch anwachsen zu lassen. Es
          wird erzählt, daß ein Sohn des Omaijaden
          Chalifen Walgas I. 60 Söhne hatte und kurz vor
          seinem Tode in seinem Haushalte 1000 Personen
          zählte. Zur Zeit des Chalifen Mamun (813—833
          n. Chr.) erreichte die 750 n. Chr. zur Herrschaft
          gekommene Abbasidenfamilie 33'000 Angehörige.
          Solange aus der Staatskasse eine Jahresdotation von 1000
          bis 50'000 Fr. per Kopf der arabischen Bevölkerung
          gezahlt wurde, konnte diese Vermehrung der Araber nicht
          bedenklich erscheinen — wenn auch dieser
          Bevölkerungszunahme gegenüber binnen absehbarer
          Zeit die reichste Staatskasse der Welt versagen
          mußte. Sobald aber diese Staatsdotationen zu
          Gunsten des Chalifeneinkommens aufhörten, und die
          Araber auf Eigenerwerb angewiesen waren, hat auch die
          Polygamie wesentlich zu ihrer raschen Verarmung
          beigetragen.
          § 40. Diese schon damit bedingte
          wirtschaftliche Notlage der Araber hat sich
          mit dem Beginn der Abbasidenherrschaft noch mehr
          verschärft. Wie bereits erwähnt, war der neuen
          Fürstenfamilie wesentlich durch die
          Unterstützung von Seiten der persischen Neubekehrten
          der Sieg über die Omaijaden gelungen. Es mußte
          deshalb jetzt die bis dahin ungleiche Besteuerung der
          Grundbesitzungen der Alt- und Neu-Muslime beseitigt
          werden. Wenn auch damit die Liebesgaben aus der
          Steuerkasse an die arabischen Großgrundbesitzer
          noch nicht verloren gingen, so mußten sie dieselben
          doch von jetzt ab auch  den nicht
          arabischen Großgrundbesitzern zufließen sehen
          und, da diese Latifundienbesitzer auch sumpfige
          Ländereien entwässern und dürres Land in
          das Bewässerungssystem einbeziehen ließen, so
          ist es zum mindesten nicht unwahrscheinlich, daß
          schon dadurch eine Art lokale Ueberproduktion in
          landwirtschaftlichen Produkten hervorgerufen
          wurde. Es kommt ferner in Betracht, daß der
          Uebergang von der Omaijaden- zur Abbasidenherrschaft sich
          in der Form eines etwa 25jährigen Bürgerkrieges
          vollzog. Solchen Ereignissen folgt
          erfahrungsgemäß eine wesentliche
          Verschlechterung des Marktes für landwirtschaftliche
          Produkte und namentlich für Getreide, das nach den
          Steuereinschätzungen für Babylonien 80 bis
          90% der gesamten Bodenproduktion
          ausmachte. Je billiger aber die Getreidepreise wurden,
          desto weniger waren die Bauern und Pächter in der
          Lage, ihre aus früherer Zeit recht hoch bemessenen
          Geldverpflichtungen den Grundherren und der
          Steuerkasse gegenüber weiter zu erfüllen. Aus
          der Not der Pächter und Bauern wurde so
          eine Not der Grundherrn und der Staatskasse. Aus dieser
          Zeit ist uns eine Fabel erhalten, durch welche der Vezir
          dem absoluten Fürsten ein Bild von der allgemeinen
          landwirtschaftlichen Notlage zu geben bemüht war. Er
          sei auf einer nächtlichen Wanderung, so
          erzählte der Vezir, in der Lage gewesen, zwei alte
          Eulenpaare zu belauschen, welche über die
          Verheiratung ihrer Kinder verhandelten. Die eine Partei
          habe eine größere Zahl verfallener
          Bauerndörfer als Mitgift gefordert. Darauf habe die
          andere Partei geantwortet: „An verfallenen
          Dörfern fehlt es uns nicht. Gott erhalte uns noch
          recht lange seine jetzt regierende Majestät, denn
          unter seiner glorreichen Regierung werden wir stets
          verlassene Bauerndörfer genug haben, da die Bauern
          wegen des Steuerdruckes alle Reißaus
          nehmen“.
 den nicht
          arabischen Großgrundbesitzern zufließen sehen
          und, da diese Latifundienbesitzer auch sumpfige
          Ländereien entwässern und dürres Land in
          das Bewässerungssystem einbeziehen ließen, so
          ist es zum mindesten nicht unwahrscheinlich, daß
          schon dadurch eine Art lokale Ueberproduktion in
          landwirtschaftlichen Produkten hervorgerufen
          wurde. Es kommt ferner in Betracht, daß der
          Uebergang von der Omaijaden- zur Abbasidenherrschaft sich
          in der Form eines etwa 25jährigen Bürgerkrieges
          vollzog. Solchen Ereignissen folgt
          erfahrungsgemäß eine wesentliche
          Verschlechterung des Marktes für landwirtschaftliche
          Produkte und namentlich für Getreide, das nach den
          Steuereinschätzungen für Babylonien 80 bis
          90% der gesamten Bodenproduktion
          ausmachte. Je billiger aber die Getreidepreise wurden,
          desto weniger waren die Bauern und Pächter in der
          Lage, ihre aus früherer Zeit recht hoch bemessenen
          Geldverpflichtungen den Grundherren und der
          Steuerkasse gegenüber weiter zu erfüllen. Aus
          der Not der Pächter und Bauern wurde so
          eine Not der Grundherrn und der Staatskasse. Aus dieser
          Zeit ist uns eine Fabel erhalten, durch welche der Vezir
          dem absoluten Fürsten ein Bild von der allgemeinen
          landwirtschaftlichen Notlage zu geben bemüht war. Er
          sei auf einer nächtlichen Wanderung, so
          erzählte der Vezir, in der Lage gewesen, zwei alte
          Eulenpaare zu belauschen, welche über die
          Verheiratung ihrer Kinder verhandelten. Die eine Partei
          habe eine größere Zahl verfallener
          Bauerndörfer als Mitgift gefordert. Darauf habe die
          andere Partei geantwortet: „An verfallenen
          Dörfern fehlt es uns nicht. Gott erhalte uns noch
          recht lange seine jetzt regierende Majestät, denn
          unter seiner glorreichen Regierung werden wir stets
          verlassene Bauerndörfer genug haben, da die Bauern
          wegen des Steuerdruckes alle Reißaus
          nehmen“.
           § 41. Die Erwägungen,
          welche sich mit der Beseitigung dieser Notlage
          beschäftigten, führten unter el Mansur (754 bis
          775 n. Chr.) zu einer Art Verstaatlichung des
          Getreidehandels. Die bisher weit
          überwiegenden Geldsteuerleistungen auf Getreide
          namentlich wurden abgeschafft und Naturalabgaben in der
          Höhe von 1⁄2,
          1⁄3 und 1⁄4 des Bruttoertrages der
          Getreidefelder, je nach der Qualität des Bodens,
          eingeführt. (Das Mokasama – System im
          Gegensatze zur weit überwiegenden Geldsteuerleistung
          des Wazifa – Systems, das auf einem ordentlichen
          Grundsteuerkataster mit Parzellenvermessung beruhte,
          welcher im Irak zuerst, durch den Perserkönig
          Chosroes {531 bis 579 n. Chr.}
          
          eingeführt worden sein soll.) In großen
          staatlichen Scheunen (ahra), in welchen bis 1000 Tonnen
          Getreide gedroschen wurden, kam es zur Einsammlung der
          Garben. Gedroschen wurde unter Aufsicht besonderer
          Staatsbeamten, welche auch die richtige Ablieferung der
          dem Staate gehörenden Anteile kontrollierten. Solche
          Kontrollscheunen soll es in Babylonien allein für
          266 Dörfer 6036 gegeben haben. Diese
          Naturalsteuerabgaben erreichten damit über
          90% der gesamten Staatseinnahmen
          aus der Grundbesteuerung, während vorher die
          Grundsteuer überwiegend als Geldsteuer geleistet
          wurde. Im Besitze so großer Getreidemassen
          beherrschte der Staat bezw. sein Steuerpächter den
          Getreidemarkt und dessen Preisbewegung vollständig.
          Es kann mithin nicht überraschen, daß von
          jetzt ab trotz der entschieden niedergehenden
          volkswirtschaftlichen Entwicklung die
          Getreidepreise wesentlich steigen. Während
          nach Prof. Sprenger unter den Omaijaden ein Preis von 50
          bis 60 Mk. per 1000 Ko. Brotgetreide (Weizen und Gerste)
          angegeben wird, erheben sich jetzt diese Preise auf 100
          Mk. und mehr. Für das Jahr 969 n. Chr. wird für
          Bagdad ein Preis von 140 Mk. per 1000 Ko. berichtet. Da
          inzwischen der Arbeitslohn,
 § 41. Die Erwägungen,
          welche sich mit der Beseitigung dieser Notlage
          beschäftigten, führten unter el Mansur (754 bis
          775 n. Chr.) zu einer Art Verstaatlichung des
          Getreidehandels. Die bisher weit
          überwiegenden Geldsteuerleistungen auf Getreide
          namentlich wurden abgeschafft und Naturalabgaben in der
          Höhe von 1⁄2,
          1⁄3 und 1⁄4 des Bruttoertrages der
          Getreidefelder, je nach der Qualität des Bodens,
          eingeführt. (Das Mokasama – System im
          Gegensatze zur weit überwiegenden Geldsteuerleistung
          des Wazifa – Systems, das auf einem ordentlichen
          Grundsteuerkataster mit Parzellenvermessung beruhte,
          welcher im Irak zuerst, durch den Perserkönig
          Chosroes {531 bis 579 n. Chr.}
          
          eingeführt worden sein soll.) In großen
          staatlichen Scheunen (ahra), in welchen bis 1000 Tonnen
          Getreide gedroschen wurden, kam es zur Einsammlung der
          Garben. Gedroschen wurde unter Aufsicht besonderer
          Staatsbeamten, welche auch die richtige Ablieferung der
          dem Staate gehörenden Anteile kontrollierten. Solche
          Kontrollscheunen soll es in Babylonien allein für
          266 Dörfer 6036 gegeben haben. Diese
          Naturalsteuerabgaben erreichten damit über
          90% der gesamten Staatseinnahmen
          aus der Grundbesteuerung, während vorher die
          Grundsteuer überwiegend als Geldsteuer geleistet
          wurde. Im Besitze so großer Getreidemassen
          beherrschte der Staat bezw. sein Steuerpächter den
          Getreidemarkt und dessen Preisbewegung vollständig.
          Es kann mithin nicht überraschen, daß von
          jetzt ab trotz der entschieden niedergehenden
          volkswirtschaftlichen Entwicklung die
          Getreidepreise wesentlich steigen. Während
          nach Prof. Sprenger unter den Omaijaden ein Preis von 50
          bis 60 Mk. per 1000 Ko. Brotgetreide (Weizen und Gerste)
          angegeben wird, erheben sich jetzt diese Preise auf 100
          Mk. und mehr. Für das Jahr 969 n. Chr. wird für
          Bagdad ein Preis von 140 Mk. per 1000 Ko. berichtet. Da
          inzwischen der Arbeitslohn,  welcher zur
          Zeit der Erbauung von Bagdad (756 n. Chr.) mit etwa 5
          Pfg. pro Tag für einen Werkmeister und von etwa
          2 1⁄2 Pfg. für
          einen gewöhnlichen Arbeiter uns überliefert
          ist, kaum gestiegen sein dürfte, so wird es
          begreiflich, daß diese Art der Getreidepolitik ganz
          wesentlich zum raschen Verfall der Städte
          beigetragen hat. Auch wird trotz der großen
          Lücken in den auf uns überkommenen
          Aufzeichnungen wiederholt erwähnt, daß ein
          Minister oder ein anderer Generalsteuerpächter durch
          Einsperren von Getreide eine solche
          Preissteigerung herbeigeführt habe,
          daß der Volksaufstand nur durch
          sofortige Aufhebung des Steuerpachtvertrags und
          kostenlose Verteilung der eingesperrten
          Getreidevorräte an das Volk gedämpft werden
          konnte.
 welcher zur
          Zeit der Erbauung von Bagdad (756 n. Chr.) mit etwa 5
          Pfg. pro Tag für einen Werkmeister und von etwa
          2 1⁄2 Pfg. für
          einen gewöhnlichen Arbeiter uns überliefert
          ist, kaum gestiegen sein dürfte, so wird es
          begreiflich, daß diese Art der Getreidepolitik ganz
          wesentlich zum raschen Verfall der Städte
          beigetragen hat. Auch wird trotz der großen
          Lücken in den auf uns überkommenen
          Aufzeichnungen wiederholt erwähnt, daß ein
          Minister oder ein anderer Generalsteuerpächter durch
          Einsperren von Getreide eine solche
          Preissteigerung herbeigeführt habe,
          daß der Volksaufstand nur durch
          sofortige Aufhebung des Steuerpachtvertrags und
          kostenlose Verteilung der eingesperrten
          Getreidevorräte an das Volk gedämpft werden
          konnte.
          § 42. Mit den höheren Getreidepreisen
          erwachte sofort wieder die Tendenz der
          Latifundienumbildung. Den Bauern wurde von allen
          Seiten so viel zugesetzt, daß sich zu Anfang der
          Abbasidenherrschaft das Sprichwort im Volke gebildet
          hatte: Jemanden so schlecht wie einen Bauern behandeln.
          All diesem Leiden gegenüber gab es in vielen
          Fällen nur das eine Mittel, das in der germanischen
          Entwicklung zur Zeit Karls des Großen aus etwas
          anderen Gründen in Mode gekommen war, nämlich:
          daß der Bauer freiwillig seinen ererbten
          Grundbesitz einem Mächtigen zu Eigentum
          übertrug und von da ab mit der Stellung eines
          Erbpächters sich begnügte. So stand er unter
          dem Schutze eines einflußreichen Herrn und war
          nicht mehr recht- und wehrlos. Seine bisherigen
          Steuerverpflichtungen ermäßigten sich damit
          auf etwa 1⁄4, wobei freilich
          zu berücksichtigen ist, daß die übrigen
          3⁄4 von jetzt ab an den
          neuen Grundherrn als Erbpachtschilling zu leisten waren.
          Der neue Großgrundbesitzer hatte den Zehent mit
          teilweisen besonderen Erhöhungen an die Staatskasse
          zu zahlen, was aber nur zu häufig unterblieb.
           Wenn trotzdem die Latifundienbildung
          von nun an sich nicht als eine verheerende Krankheit im
          Volkskörper ausbreiten konnte, so ist das auf die
          reichlich geübte Sitte zurück zu führen:
          den beim Chalifen oder seinen Ministern aus irgendwelchem
          Grunde unbeliebt gewordenen Latifundienbesitzern
          das ganze Vermögen zu konfiszieren,
          meistbietend zu Gunsten der Staatskasse in einzelnen
          Teilen zu verkaufen oder an einen neuen Günstling
          ohne Land zu verschenken. Nicht selten wurde bei dieser
          Prozedur auch dem bisherigen Grundbesitzer der Kopf
          abgeschlagen.
 Wenn trotzdem die Latifundienbildung
          von nun an sich nicht als eine verheerende Krankheit im
          Volkskörper ausbreiten konnte, so ist das auf die
          reichlich geübte Sitte zurück zu führen:
          den beim Chalifen oder seinen Ministern aus irgendwelchem
          Grunde unbeliebt gewordenen Latifundienbesitzern
          das ganze Vermögen zu konfiszieren,
          meistbietend zu Gunsten der Staatskasse in einzelnen
          Teilen zu verkaufen oder an einen neuen Günstling
          ohne Land zu verschenken. Nicht selten wurde bei dieser
          Prozedur auch dem bisherigen Grundbesitzer der Kopf
          abgeschlagen.
          Diese für die zunächst betroffenen Personen
          gewiß nicht angenehme wirtschaftspolitische
          Maßnahme gegen die Latifundienbildung versuchte man
          bald in einer Weise zu umgehen, welche für die
          Regierungszeit der Abbasidenchalifen charakteristisch
          ist. Schon Omar I. hatte nämlich
          Grundbesitzungen für fromme und milde
          Stiftungen bestimmt und sie ausdrücklich auch
          für die Staatsgewalt als unantastbar bezeichnet. So
          finden wir schon früh im arabisch-islamischen Reiche
          den unveräußerlichen Grundbesitz der
          toten Hand. Nachdem das gesamte Staatseinkommen
          einschließlich der Armensteuer mehr und mehr zur
          ausschließlichen Verfügung des absoluten
          Chalifen gestellt worden war, kam in gleichem Maße
          die Sitte frommer und milder Stiftungen auch in
          Grundbesitz auf und zwar für Arme, für
          Spitäler, für Verteidigung der Grenzen,
          für die heiligen Städte Mekka und Medina,
          für die Pilgerkarawanen u.s.w.
          Stiftungen dieser Art wurden jetzt von den
          Latifundienbesitzern in der Weise gepflegt, daß man
          für sich oder seine Verwandten mit einer in der
          Stiftungsurkunde namhaft gemachten Erbfolgeordnung
          innerhalb der Familie die ausschließliche
          Verwaltung der gesamten Einkünfte vorbehielt.
          So hoffte man in wirksamer Weise durch eine andere Art
          Familienfideikommiss sich gegen die wenig beliebten
          Besitzstörungen  durch den
          Staat zu sichern. Daß dabei die Stifter und ihre
          Erben sich wenig um den frommen Stiftungszweck
          kümmerten und das Stiftungseinkommen fast
          ausschließlich für ihre eigene Person
          verwendeten, war selbstverständlich. Dieser
          Mißbrauch hatte bald einen solchen Umfang
          angenommen, daß der Chalife Harûn al
          Raschid (786 - 809 n. Chr.) unter dem Drucke der
          laut gewordenen Klagen seine eigene Mutter aufforderte,
          auf die von ihr gemachten Latifundienstiftungen
          freiwillig zu verzichten. Ihre Weigerung führte zur
          Säcularisation durch den Chalifen. Von
          da ab war es mit der so geschickt gewählten
          Sicherung des Latifundienbesitzes vorbei, und das
          Expropriations- und Wiederaufteilungsverfahren des
          Staates war in der Lage, mit der neuen
          Latifundienbildung Schritt zu halten.
 durch den
          Staat zu sichern. Daß dabei die Stifter und ihre
          Erben sich wenig um den frommen Stiftungszweck
          kümmerten und das Stiftungseinkommen fast
          ausschließlich für ihre eigene Person
          verwendeten, war selbstverständlich. Dieser
          Mißbrauch hatte bald einen solchen Umfang
          angenommen, daß der Chalife Harûn al
          Raschid (786 - 809 n. Chr.) unter dem Drucke der
          laut gewordenen Klagen seine eigene Mutter aufforderte,
          auf die von ihr gemachten Latifundienstiftungen
          freiwillig zu verzichten. Ihre Weigerung führte zur
          Säcularisation durch den Chalifen. Von
          da ab war es mit der so geschickt gewählten
          Sicherung des Latifundienbesitzes vorbei, und das
          Expropriations- und Wiederaufteilungsverfahren des
          Staates war in der Lage, mit der neuen
          Latifundienbildung Schritt zu halten.
          § 43. Diese beiden Erwerbsmöglichkeiten:
          Uebernahme einer einträglichen Staatsstelle und
          Aneignung eines landwirtschaftlichen Grossgrundbesitzes
          waren indeß längst nicht genügend, um die
          ungemein rasch fortschreitende Verarmung des
          islamischen Volkes aufzuhalten. 
          So blieb dann schliesslich den Nachkommen der
          einstmaligen Herren des islamischen Weltreiches nichts
          anderes übrig, als sich endlich auch zur
          wirtschaftlichen Arbeit zu bequemen. Die Araber
          mussten anfangen, sich auch mit dem Handwerk, mit Handel
          und Gewerbe zu beschäftigen, wobei die Stufenreihe
          ihres Eindringens in die einzelnen Berufsarten
          naturgemäss von ihrer sittlichen und religiösen
          Anschauung abhängig war. Erst im Jahre 932 n. Chr.
          eröffnet der große Razy die Reihe
          der berühmten muhamedanischen Naturforscher
          und Aerzte. Von den ersten arabisch-
          muhamedanischen Geldwechslern, Goldschmieden
           und Juwelenhändlern die dem
          Wuchergewerbe nahestehen sollten, wird — soweit bis
          heute bekannt — aus dem Jahre 941 n. Chr.
          berichtet. Dass sich die Araber mit besonderer Vorliebe
           dem bäuerlichen Berufe
          zugewendet hätten, wird nicht berichtet. Was an
          Arabern in der Stadt keinen dauernden Aufenthalt nahm,
          lebte auf dem Lande als Beduine — eine
          Erscheinung welche nicht nur auf historische, sondern
          vielleicht mehr noch auf geographische Ursachen sich
          zurück führt. Die Wüste spielt nicht nur
          in der Urheimat Arabien, sondern in dem ganzen arabischen
          Weltreich eine grosse Rolle, die wahrscheinlich nur von
          Jenen ganz verstanden werden kann, welche die Poesie des
          Wüstenlebens aus eigener Anschauung kennen.
          Der Gegensatz zwischen Stadt und Land,
          welcher von nun an auch in der arabisch-islamischen
          Geschichte eine hervorragende Bedeutung besitzt,
          löst sich hier nicht in Bürger und Bauer,
          sondern in Bürger und
          Beduine auf.
 dem bäuerlichen Berufe
          zugewendet hätten, wird nicht berichtet. Was an
          Arabern in der Stadt keinen dauernden Aufenthalt nahm,
          lebte auf dem Lande als Beduine — eine
          Erscheinung welche nicht nur auf historische, sondern
          vielleicht mehr noch auf geographische Ursachen sich
          zurück führt. Die Wüste spielt nicht nur
          in der Urheimat Arabien, sondern in dem ganzen arabischen
          Weltreich eine grosse Rolle, die wahrscheinlich nur von
          Jenen ganz verstanden werden kann, welche die Poesie des
          Wüstenlebens aus eigener Anschauung kennen.
          Der Gegensatz zwischen Stadt und Land,
          welcher von nun an auch in der arabisch-islamischen
          Geschichte eine hervorragende Bedeutung besitzt,
          löst sich hier nicht in Bürger und Bauer,
          sondern in Bürger und
          Beduine auf.
          Der Jungbrunnen des Volkes ist deshalb
          bei Ibn Chaldun nicht der Bauernstand auf Feld und Weide,
          sondern der Beduinenstand in der Wüste.
          Die Reichen in der Stadt schicken ihre Kinder zur
          tunlichsten Kräftigung ihrer Gesundheit nicht, wie
          z.B. in Frankreich, zu einer
          bäuerlichen Familie aufs Land, sondern zu einer
          Beduinenfamilie in die Wüste. Das
          ausschliessliche Stadtleben aber wirkte auch hier
          rasch degenerierend auf die
          Bevölkerung.
          § 44. Mit diesem Uebergange des arabischen
          Volkes vom kriegerischen Räuberhandwerk zum
          wirtschaftlichen Erwerbe steht eine andere
          tiefeinschneidende Veränderung in innigster
          Verbindung d.i. die
          Auflösung des alten, bis dahin so
          streng festgehaltenen Geschlechterverbandes
          und seine Ersetzung in der Stadt durch die
          Zunftverfassung, welche von den Arabern als das
          System der Akilah bezeichnet wird. Nicht mehr die
          Geschlechtsgenossen sondern die Zunftgenossen wohnten
          jetzt in der Stadt nebeneinander und hatten am Markte als
          besondere Gilde ihren eigenen  Platz. Die
          Zunftgenossen waren zu gemeinsamer Haftpflicht und zu
          gemeinsamem Schadenersatz gebunden. Wo ein Gewerbe nicht
          genügend Mitglieder zählte, galt das Dorf oder
          Stadtviertel als Zunft. Den Beginn der Auflösung des
          Geschlechterverbandes bezeichnet charakteristischerweise
          die willkürliche Einreihung jedes Einzelnen in den
          Heeresverband durch die Heeresleitung, ein Ereignis,
          welches in Vorderasien mit dem Beginn der
          Abbasidenherrschaft (750 n. Chr.) in Spanien erst mit der
          Ruhmeszeit Almansors (etwa 990 n. Chr.)
          zusammenfällt.
 Platz. Die
          Zunftgenossen waren zu gemeinsamer Haftpflicht und zu
          gemeinsamem Schadenersatz gebunden. Wo ein Gewerbe nicht
          genügend Mitglieder zählte, galt das Dorf oder
          Stadtviertel als Zunft. Den Beginn der Auflösung des
          Geschlechterverbandes bezeichnet charakteristischerweise
          die willkürliche Einreihung jedes Einzelnen in den
          Heeresverband durch die Heeresleitung, ein Ereignis,
          welches in Vorderasien mit dem Beginn der
          Abbasidenherrschaft (750 n. Chr.) in Spanien erst mit der
          Ruhmeszeit Almansors (etwa 990 n. Chr.)
          zusammenfällt.
          Die realistische Auffassung ging bei dieser neuen
          Zunftorganisation im Abbasidenreiche so weit, dass sich
          in der Residenzstadt Bagdad unter den Augen der Regierung
          auch eine Zunft der Diebe bildete. Und diese
          Diebsgenossenschaft kam gelegentlich zu solcher Macht,
          dass sie sich der Hauptstadt Bagdad bemächtigte und
          der Chalif, um sich und seine Schätze zu retten, es
          vorzog, seinen eigenen Sohn in die Diebszunft als
          Mitglied aufnehmen zu lassen. Dieser Situation ist es
          vollkommen entsprechend, wenn wir weiter hören, dass
          die Zunft der Diebe in Bagdad einem hohen Beamten
          für dessen Schutz monatlich 150'000 Frcs. zahlte,
          und wenn die arabischen Historiker sich als besten Beweis
          für die allgemeine Verarmung des Volkes auf die
          Tatsache berufen, dass im Jahre 989 n. Chr. die Zunft der
          Diebe in Bagdad der Staatspolizei für unbehelligte
          Plünderung der Mekkapilger nur lumpige 50'000 Frs.
          bieten konnte.
          § 45. Im Uebrigen fließen auch
          um diese Zeit in der arabisch-islamischen Weltanschauung
          die Begriffe Diebstahl, Raub und Erwerb,
          Erpressung, Bestechung und staatliche Besoldung so
          sehr in einander über, daß es
          unmöglich ist, sie auseinander zu halten. Ein Vezir,
          der auch nur einige Jahre seines  Amtes
          waltete, hat selbstverständlich inzwischen neben
          seinen Schätzen in Edelmetall und Edelsteinen auch
          einen Latifundienbesitz mit einer jährlichen Rente
          von etwa 10 Millionen Franken „erworben“. Ein
          Regierungsschreiber, oder um den entsprechenden modernen
          Ausdruck zu gebrauchen: ein vortragender Rat im
          Ministerium erhält aus der Staatskasse jährlich
          einen Sold von 3600 Frs. aber gegen Ende seiner
          Beamtenlaufbahn verfügt er seltsamer Weise über
          ein Gesamtvermögen von 20 Millionen Franken.
          Daß auch die anderen Berufsstände in
          ähnlicher Weise sich betätigten, bestätigt
          ein Epigramm des berühmten syrischen Dichters
          Ma’rry (973 bis 1057 n. Chr.), welches
          besagt: „In den Wüsten hausen die Räuber
          von Kamelen, in der Stadt sind Räuber anderer Art.
          Diese nennt man Notare und Kaufherren. Jene heißen
          einfach Beduinen.“ Auch diese Beduinen
          beschränken sich jedoch nicht immer auf den
          Diebstahl von Kamelen. In den Jahren 900 bis 915 n. Chr.
          plünderten sie so eifrig die Mekkapilger, daß
          zwei Jahre lang diese Wallfahrt überhaupt
          unterblieb, und die frommen Pilger sich dann
          entschließen mußten, ihre Sicherheit auf der
          Reise nach Mekka vorher von den Beduinen zu erkaufen.
 Amtes
          waltete, hat selbstverständlich inzwischen neben
          seinen Schätzen in Edelmetall und Edelsteinen auch
          einen Latifundienbesitz mit einer jährlichen Rente
          von etwa 10 Millionen Franken „erworben“. Ein
          Regierungsschreiber, oder um den entsprechenden modernen
          Ausdruck zu gebrauchen: ein vortragender Rat im
          Ministerium erhält aus der Staatskasse jährlich
          einen Sold von 3600 Frs. aber gegen Ende seiner
          Beamtenlaufbahn verfügt er seltsamer Weise über
          ein Gesamtvermögen von 20 Millionen Franken.
          Daß auch die anderen Berufsstände in
          ähnlicher Weise sich betätigten, bestätigt
          ein Epigramm des berühmten syrischen Dichters
          Ma’rry (973 bis 1057 n. Chr.), welches
          besagt: „In den Wüsten hausen die Räuber
          von Kamelen, in der Stadt sind Räuber anderer Art.
          Diese nennt man Notare und Kaufherren. Jene heißen
          einfach Beduinen.“ Auch diese Beduinen
          beschränken sich jedoch nicht immer auf den
          Diebstahl von Kamelen. In den Jahren 900 bis 915 n. Chr.
          plünderten sie so eifrig die Mekkapilger, daß
          zwei Jahre lang diese Wallfahrt überhaupt
          unterblieb, und die frommen Pilger sich dann
          entschließen mußten, ihre Sicherheit auf der
          Reise nach Mekka vorher von den Beduinen zu erkaufen.
          Da das „Eigentum“ bis zu
          solchem Maße „Diebstahl“
          war, mußten die regelmäßigen
          Vermögenskonfiskationen durch die
          Staatsgewalt als eine Einrichtung ausgleichender
          Gerechtigkeit erscheinen. Sobald irgend Jemand
          durch großen Reichtum sich bemerkbar machte,
          ließ auch seine, nach abgekürztem Verfahren,
          durchgeführte staatliche Expropriation kaum lange
          auf sich warten. Sobald ein Minister in Ungnade fiel,
          wurde sein ganzes Personal mit ihm entlassen und der
          Minister wie zwei seiner Beamten, welche als reich
          bekannt waren, zu einer Geldstrafe von so und so viel
          Millionen Franken verurteilt. Eine Geldstrafe von nur
          eine Million Frs. pro  Person hat
          als milde gegolten. Es kamen Strafzahlungen bis zu 20
          Millionen pro Person vor. Es kam aber auch vor, daß
          dem bisherigen Vezir mit seinen Freunden Vermögen
          und Leben genommen wurde. In der Auffassung der damaligen
          Gesellschaft hatten all diese Geldstrafen keine
          entehrende Bedeutung.
 Person hat
          als milde gegolten. Es kamen Strafzahlungen bis zu 20
          Millionen pro Person vor. Es kam aber auch vor, daß
          dem bisherigen Vezir mit seinen Freunden Vermögen
          und Leben genommen wurde. In der Auffassung der damaligen
          Gesellschaft hatten all diese Geldstrafen keine
          entehrende Bedeutung.
          § 46. All diesen wirtschaftlichen Verschiebungen
          laufen bedeutsame Aenderungen in der Verfassung des
          Staates parallel. Die Zentralverwaltung des
          Reiches war im Vergleich zu den so einfachen
          Verhältnissen Omar I. recht kompliziert geworden.
          Während damals die Einführung einer
          Staatsbuchhaltung als eine außerordentliche
          Neuerung erscheinen mußte, zählte die
          Zentralregierung des ersten
          Abbasidenchalifen sieben Hauptkanzleien,
          nämlich:
          
            - Die Zentralstelle der Steuern,
- die Kanzlei der Krongüter,
- den obersten Rechnungshof,
- die Kanzlei der Truppen,
- die Kanzlei der Klienten und Sklaven,
- die Generalpostdirektion,
- die Kanzlei für Buchhaltung der Ausgaben.
Hieraus lassen sich leicht das Ministerium des
          kaiserlichen Hauses, das Kriegsministerium, das
          Ministerium des Innern und der Finanzen mit dem
          Reichsrechnungshofe und der Reichspostverwaltung
          unterscheiden.
          Auch die Steuerquellen haben sich
          entsprechend vermehrt. Wir hören unter den ersten
          Abbasidenchalifen von folgenden Staatseinnahmen:
          
            - Grundsteuer verschiedener Art,
- Vermögenssteuern,
- Zehent von den Handelsschäften,
- Doppelter Zehent von Bergbau und Weide,
- Kopfsteuer,
- Münzgebühr,  
- Mautgelder,
- Salz- und Fischereisteuer,
- Grundrentensteuer für Benutzung
            öffentlicher Plätze,
- Mahl- und Fabrikationssteuer,
- Luxus- und Konsumsteuer.
Die daraus erzielten Einnahmen werden für die
          Jahre 775 bis 786 n. Chr. auf 411 Millionen Franken
          angegeben. Das alles konnte in einem so großen
          Reiche der Fürst persönlich nicht mehr
          überschauen. Die ersten
          Abbasidenchalifen bedienten sich deshalb um so lieber
          hierzu der Mithilfe eines ihnen verantwortlichen
          Staatsmannes und dessen Gehilfen, als sich auf solche
          Weise die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung
          unter Umständen leicht und vorteilhaft auf den
          leitenden Minister ablenken ließ. So ist Amt und
          Würde des islamischen Vezir entstanden,
          welche von 750 bis 800 n. Chr. in den geschickten
          Händen der alten persischen Adelsfamilie der
          Barmekiden ruhten.
          § 47. Nach dem Sturze der
          Barmekidenfamilie unter Haruûn al Raschid
          versuchte der Chalife Mamun (813 bis 833 n. Chr.) die
          Erblichkeit des Vezirates durch die Erblichkeit der
          Statthalterposten in den Provinzen zu ersetzen.
          Die erbliche Vezirwürde mochte mit der Gefahr
          verknüpft erscheinen, bei einer schwächlichen
          Persönlichkeit des Chalifen zu einer
          Verdrängung der ganzen Herrscherfamilie vom Throne
          zu führen. Mit dem erblichen Statthalter dagegen
          konnte eine reiche und deshalb kräftige
          Zentralgewalt leichter fertig zu werden hoffen und doch
          die Vorteile genießen, welche aus dem
          größeren Interesse einer erblichen
          Statthalterwürde an dem Gedeihen der betreffenden
          Provinz fließen mußte. Anfangs schienen diese
          Erwartungen sich zu bestätigen. Die
          Aghlabiden in Nordafrika haben unter Mamun
          Sizilien und Sardinien erobert,
          die von jetzt ab 200 Jahre unter islamischer  Herrschaft geblieben sind. Die
          Einnahmen der Zentralkasse aber zeigten bald
          eine weniger günstige Entwickelung. Die 411
          Millionen Franken in den Jahren 775 bis 786 n. Chr. sind
          auf 372 Millionen in den Jahren 819/20 n. Chr. und auf
          293 Millionen im Jahre 845 n. Chr. zurückgegangen.
          Das ist ein Verlust von 119 Millionen gleich 29% binnen 59 Jahren. Weil aber das
          Ausgabebedürfnis des Chalifen in keiner Weise das
          Bestreben zeigte, sich nach der kürzer werdenden
          Decke zu strecken, wurde die Steuerschraube
          fast überall noch weiter zu drehen versucht, mit
          Vermögenskonfiskationen und
          Hinrichtungen der Reichen noch ausgiebiger vorgegangen
          und die Staatsämter öffentlich an den
          Meistbietenden vergeben. Damit steigerte sich die
          Unzufriedenheit der Bevölkerung bis zu dem
          Maße, daß der Chalife Motassim (833 bis 842
          n. Chr.) sich in der Mitte heimischer Truppen nicht
          sicher genug fühlte und sich deshalb ein Heer
          aus fremden Söldnern, Türken und Berbern
          zusammenstellte, deren Zahl bald die Höhe von 70'000
          Mann erreicht haben soll. Diese Soldateska betrug sich in
          Bagdad so schlecht, daß die ernstesten Beschwerden
          darüber aus der Bevölkerung der Residenzstadt
          den Chalifen veranlaßten, mit seiner Leibgarde und
          seinen Beamten nach dem neu erbauten
          Ssamarra auszuwandern.
 Herrschaft geblieben sind. Die
          Einnahmen der Zentralkasse aber zeigten bald
          eine weniger günstige Entwickelung. Die 411
          Millionen Franken in den Jahren 775 bis 786 n. Chr. sind
          auf 372 Millionen in den Jahren 819/20 n. Chr. und auf
          293 Millionen im Jahre 845 n. Chr. zurückgegangen.
          Das ist ein Verlust von 119 Millionen gleich 29% binnen 59 Jahren. Weil aber das
          Ausgabebedürfnis des Chalifen in keiner Weise das
          Bestreben zeigte, sich nach der kürzer werdenden
          Decke zu strecken, wurde die Steuerschraube
          fast überall noch weiter zu drehen versucht, mit
          Vermögenskonfiskationen und
          Hinrichtungen der Reichen noch ausgiebiger vorgegangen
          und die Staatsämter öffentlich an den
          Meistbietenden vergeben. Damit steigerte sich die
          Unzufriedenheit der Bevölkerung bis zu dem
          Maße, daß der Chalife Motassim (833 bis 842
          n. Chr.) sich in der Mitte heimischer Truppen nicht
          sicher genug fühlte und sich deshalb ein Heer
          aus fremden Söldnern, Türken und Berbern
          zusammenstellte, deren Zahl bald die Höhe von 70'000
          Mann erreicht haben soll. Diese Soldateska betrug sich in
          Bagdad so schlecht, daß die ernstesten Beschwerden
          darüber aus der Bevölkerung der Residenzstadt
          den Chalifen veranlaßten, mit seiner Leibgarde und
          seinen Beamten nach dem neu erbauten
          Ssamarra auszuwandern.
          Das Los des Chalifen war damit noch schlechter
          geworden. Die hoch besoldete Leibgarde verwandelte sich
          rasch in übermütige
          Prätorianer, die ihre eigentliche
          Aufgabe darin erblickten, aus der Kasse des Chalifen so
          viel als möglich in ihre Taschen zu bringen. Das
          Stündlein der Expropriation des
          Chalifen hatte sich angekündigt. Nach jeder
          Erledigung des Thrones kam es von jetzt für den
          Nachfolger in erster Linie auf die Anerkennung durch die
          Leibgarde an. Und diese Leibgarde war immer für
          jenen Thronkandidaten, welcher ihr die  reichsten Geschenke zusicherte. So
          kam es, daß bei jedem Thronwechsel der ganze
          Staatsschatz ausgeplündert werden mußte, nur
          um die Anerkennung der Prätorianer und der
          mächtigsten Beamten für den neuen Chalifen zu
          erkaufen. Die Prätorianer waren deshalb wesentlich
          daran interessiert, daß möglichst oft eine
          Neubesetzung des Chalifenthrones eintrete. Und wenn die
          bessere Körperkonstitution des Fürsten der
          Gläubigen dieses Ereignis länger
          hinauszuschieben drohte, wurde durch geeignete Mittel
          nachgeholfen. Von 13 Chalifen, welche unter
          der Herrschaft der Prätorianer regierten, wurden
          8 abgesetzt, geblendet oder ermordet.
 reichsten Geschenke zusicherte. So
          kam es, daß bei jedem Thronwechsel der ganze
          Staatsschatz ausgeplündert werden mußte, nur
          um die Anerkennung der Prätorianer und der
          mächtigsten Beamten für den neuen Chalifen zu
          erkaufen. Die Prätorianer waren deshalb wesentlich
          daran interessiert, daß möglichst oft eine
          Neubesetzung des Chalifenthrones eintrete. Und wenn die
          bessere Körperkonstitution des Fürsten der
          Gläubigen dieses Ereignis länger
          hinauszuschieben drohte, wurde durch geeignete Mittel
          nachgeholfen. Von 13 Chalifen, welche unter
          der Herrschaft der Prätorianer regierten, wurden
          8 abgesetzt, geblendet oder ermordet.
          § 48. Der Chalife als Puppe in der
          Hand der Prätorianer hatte natürlich sein Spiel
          mit den erbberechtigten Statthalterfamilien bald
          verloren. Rasch treten uns deshalb in dem seither
          einheitlichen Reiche fast selbständige
          Vasallendynastien und dann auch unabhängige
          Einzelstaaten entgegen, deren Bedeutung und Einfluß
          in dem allgemeinen Wirrwarr der politischen
          Verhältnisse vor allem auf der mehr oder minder
          machtvollen Persönlicheit des Herrschers beruhte.
          Als im Jahre 872 n. Chr. Ssaffar sich
          anschickte, den Statthalterposten für Choressan sich
          mit Waffengewalt zu „erwerben“, erschien ein
          Abgesandter des Chalifen bei ihm mit der bescheidenen
          Anfrage: wo Ssaffar denn seine vom Chalifen ausgefertigte
          Bestallungsurkunde für Chorassan habe? Da lautete
          die sachgemäße Antwort, indem Ssaffar auf sein
          Schwert schlug: „Hier ist meine Bestallung!“
          Der Chalifengesandte war nicht in der Lage, gegen die
          Gültigkeit dieses Dokumentes Einspruch zu erheben.
          Irgend ein tüchtiger General, der mit seinen
          Söldnern dem Chalifen einmal sich nützlich
          gezeigt, ließ sich dafür eine erbliche
          Statthalterschaft übertragen und regierte hier, bis
          ein Stärkerer ihn verjagte. So entstanden nach 870
          n. Chr. Dutzende von Räuber dynastien aus jener
          Machtfülle, welche durch den Zersetzungsprozeß
          des Chalifats frei geworden war.
dynastien aus jener
          Machtfülle, welche durch den Zersetzungsprozeß
          des Chalifats frei geworden war.
          § 49. Die Geldnot in der
          Chalifenkasse wurde immer größer. Die
          selbständigen oder fast selbständig gewordenen
          Statthalterdynastien zahlten natürlich nichts oder
          nur wenig an die Zentralkasse nach Bagdad. Die
          Staatseinnahmen sind deshalb von 411 Millionen Franken in
          den Jahren 775—786 n. Chr. auf 24 Millionen in den
          Jahren 915/16 n. Chr. zurückgegangen. Mit Mühe
          und Not hatte sich der Chalif Mutamid im
          Jahre 873 n. Chr. aus der Prätorianerstadt Ssamarra
          nach Bagdad zurückgerettet. Seine traurige Lage
          wurde damit nicht wesentlich gebessert. Die
          Soldrückstände erreichten
          gelegentlich einen solchen Umfang, daß die
          Schmuckgegenstände und ein Teil der Einrichtung des
          Chalifenpalastes versteigert werden mußten, um die
          drohende Militärrevolte zu beschwichtigen. Findige
          Minister aber wußten selbst aus diesen unbezahlten
          Gehältern reiche Gewinne zu ziehen. Sie ließen
          nach der bei unseren Großbanken für exotische
          Anleihen beliebten Methode durch besondere Agenten die
          Quittungen für rückständige
          Gehaltsforderungen zur Hälfte des Nominalbetrages
          aufkaufen und rechneten dieselben dann zum Vollbetrage
          mit der Staatskasse ab. Der Chalife fühlte sich der
          wachsenden Sorge und Unsicherheit seines Berufes nicht
          mehr gewachsen. So kam es zum politischen
          Selbstmord des Chalifats. AI Radhi (934 bis 941 n.
          Chr.) schuf das Amt des Emir al Muara,
          welcher die ganze Herrschaft „im Namen des
          Chalifen“ zu führen hatte und betraut damit
          935 n. Chr. den Generalissimus seiner Söldner. Sein
          Nachfolger Mustakfi (944 bis 945 n. Chr.)
          warf sich den Bujiden in die Arme, welche
          seit 925 in Persien zur Herrschaft gekommen waren. Dem
          Chalifen blieben die religiösen Ehrenämter mit
          der Münze, während die  gesamte
          übrige Regierungsgewalt von den Bujiden
          unumschränkt, wenn auch im Namen des Chalifen
          ausgeübt wurden. Der einfachen Rechnung halber
          zahlten die Bujiden dem Chalifen eine
          Zivilliste, die oft so bescheiden ausfiel,
          daß es dem Fürsten der Gläubigen an dem
          Nötigsten fehlte. Seit dieser Zeit war die
          Redensart: sich mit der Predigt und der Münze
          begnügen! aufgekommen für ein
          Vertragsverhältnis, nach dessen Inhalt der Eine fast
          alles, der Andere fast nichts behielt. Damit hatte die
          weltliche Herrschaft der Nachfolger des Propheten nach
          300 Jahren ihr Ende erreicht. Die Bujiden wurden schon
          993 n. Chr. von den Sedschuken
          abgelöst.
 gesamte
          übrige Regierungsgewalt von den Bujiden
          unumschränkt, wenn auch im Namen des Chalifen
          ausgeübt wurden. Der einfachen Rechnung halber
          zahlten die Bujiden dem Chalifen eine
          Zivilliste, die oft so bescheiden ausfiel,
          daß es dem Fürsten der Gläubigen an dem
          Nötigsten fehlte. Seit dieser Zeit war die
          Redensart: sich mit der Predigt und der Münze
          begnügen! aufgekommen für ein
          Vertragsverhältnis, nach dessen Inhalt der Eine fast
          alles, der Andere fast nichts behielt. Damit hatte die
          weltliche Herrschaft der Nachfolger des Propheten nach
          300 Jahren ihr Ende erreicht. Die Bujiden wurden schon
          993 n. Chr. von den Sedschuken
          abgelöst.
          § 50. Der finanzielle Bankrott des Chalifats, dem
          der politische Bankrott auf dem Fuße folgte,
          mußte notwendiger Weise jene charakteristischen
          Erscheinungen hervorrufen, die wir schon in der
          Geschichte des niedergehenden römischen
          Kaiserreiches als die gewaltsame Rückbildung
          aus der Geldwirtschaft in die Naturalwirtschaft
          kennen gelernt haben. Die Verstaatlichung des
          Getreidehandels zu Anfang der Abbasidenherrschaft
          bedeutete bereits die Einleitung dieses
          Entwicklungsprozesses. Die Aufteilung des
          Reiches in größere mehr oder minder
          selbständige Einzelregierungen ist
          ebenfalls ein hierher gehörendes Symptom. Ein
          gleiches gilt von der fortgesetzten
          Münzverschlechterung und von der wieder
          rückläufigen Bewegung von der
          Goldwährung zur Silberwährung,
          deren Wiedereinführung mit dem Ende der weltlichen
          Herrschaft des Chalifats (944 n. Chr.)
          zusammenfällt. Hierher gehört aber insbesondere
          die Ausbildung des Soldatenlehens und damit
          eine ziemlich allgemeine Einführung einer Abart
          lehensstaatlicher Verfassung.
          Der Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren die
          Rückstände in den Soldzahlungen. Infolge der
          fortgesetzten  Vermögenskonfiskationen hielt die Staatskasse
          fortwährend öffentliche
          Grundstücksversteigerungen ab. Bei diesen traten die
          Soldaten als Käufer auf und zahlten mit Belegen
          für rückständigen Sold. Die Soldaten
          wurden so Eigentümer von Grundstücken,
          auf welchen sich Bauern als Erbpächter
          abmühten, um neben ihren Steuern noch den
          entsprechenden Pachtertrag für den jeweiligen
          Grundherrn heraus zu wirtschaften. Truppenführer
          kamen auf solche Weise in den Besitz ganzer Ortschaften,
          für deren wirtschaftliches Gedeihen sie in der Regel
          ein gewisses Verständnis zeigten. Den plötzlich
          zu Grundherren avancierten Soldaten aber scheint diese
          Rangerhöhung etwas in den Kopf gestiegen zu sein.
          Wir hören oft von persönlichen Erpressungen und
          bösen Chicanen, welche sich die Soldaten den Bauern
          gegenüber haben zu Schulden kommen lassen. Die
          Bewässerungskanäle wurden vernachlässigt,
          die Straßen nicht mehr ausgebessert, die Dämme
          der Kanäle eingerissen und nicht mehr hergestellt,
          das Land versumpft und versandet. Die Bauern verlassen
          die Höfe. Waren aber infolge all dieser Sünden
          die Soldatenländer verödet, dann stellten die
          Soldaten diese dem Staate wieder zurück und
          verlangten bessere, neue. Auch diese Soldatenländer
          hätten den Zehent an die Steuerkasse entrichten
          sollen, es geschah nur in der Regel nicht.
          Vermögenskonfiskationen hielt die Staatskasse
          fortwährend öffentliche
          Grundstücksversteigerungen ab. Bei diesen traten die
          Soldaten als Käufer auf und zahlten mit Belegen
          für rückständigen Sold. Die Soldaten
          wurden so Eigentümer von Grundstücken,
          auf welchen sich Bauern als Erbpächter
          abmühten, um neben ihren Steuern noch den
          entsprechenden Pachtertrag für den jeweiligen
          Grundherrn heraus zu wirtschaften. Truppenführer
          kamen auf solche Weise in den Besitz ganzer Ortschaften,
          für deren wirtschaftliches Gedeihen sie in der Regel
          ein gewisses Verständnis zeigten. Den plötzlich
          zu Grundherren avancierten Soldaten aber scheint diese
          Rangerhöhung etwas in den Kopf gestiegen zu sein.
          Wir hören oft von persönlichen Erpressungen und
          bösen Chicanen, welche sich die Soldaten den Bauern
          gegenüber haben zu Schulden kommen lassen. Die
          Bewässerungskanäle wurden vernachlässigt,
          die Straßen nicht mehr ausgebessert, die Dämme
          der Kanäle eingerissen und nicht mehr hergestellt,
          das Land versumpft und versandet. Die Bauern verlassen
          die Höfe. Waren aber infolge all dieser Sünden
          die Soldatenländer verödet, dann stellten die
          Soldaten diese dem Staate wieder zurück und
          verlangten bessere, neue. Auch diese Soldatenländer
          hätten den Zehent an die Steuerkasse entrichten
          sollen, es geschah nur in der Regel nicht.
          Was so für die Soldaten und Offiziere recht war,
          das schien bald für Jedermann, der Anspruch auf
          Staatsgehälter erheben konnte, billig zu sein. So
          erhielt denn jedes Mitglied der herrschenden Familie,
          jeder Emir, eine Stadt oder eine
          Landschaft als Lehen, über welches der
          Lehensträger unumschränkt gebot,
          die Patrimonialgerichtsbarkeit ausübte,
          die Bauern mit Frohndiensten
          belastet und herauszupressen versuchten, was möglich
          war. Die konsequente Ausbildung dieser eigenartigen
          Lehensverfassung fällt etwa in die Zeit von  925—993 n. Chr. Namentlich die
          Landbevölkerung ist durch diese Verhältnisse
          förmlich zur Verzweiflung getrieben worden. Aber
          auch die Städte verfielen und verödeten jetzt
          rasch. Es kann deshalb kaum überraschen, wenn
          für das Jahr 987 n. Chr. berichtet wird, daß
          ein arabischer Volksstamm, welcher 12'000 Mann
          zählte, geschlossen nach byzantinischem Gebiet
          ausgewandert sei, um hier freiwillig vom Islam zum
          Christentum überzutreten und dann von ihrer neuen
          Heimat aus an ihren früheren Peinigern durch
          periodische Raubzüge sich zu rächen. Die
          Verderben bringenden wirtschaftlichen
          Begleiterscheinungen der Religion des Muhammed haben
          diese Menschen aus der Gemeinde der Gläubigen
          verjagt.
 925—993 n. Chr. Namentlich die
          Landbevölkerung ist durch diese Verhältnisse
          förmlich zur Verzweiflung getrieben worden. Aber
          auch die Städte verfielen und verödeten jetzt
          rasch. Es kann deshalb kaum überraschen, wenn
          für das Jahr 987 n. Chr. berichtet wird, daß
          ein arabischer Volksstamm, welcher 12'000 Mann
          zählte, geschlossen nach byzantinischem Gebiet
          ausgewandert sei, um hier freiwillig vom Islam zum
          Christentum überzutreten und dann von ihrer neuen
          Heimat aus an ihren früheren Peinigern durch
          periodische Raubzüge sich zu rächen. Die
          Verderben bringenden wirtschaftlichen
          Begleiterscheinungen der Religion des Muhammed haben
          diese Menschen aus der Gemeinde der Gläubigen
          verjagt.
          § 51. Die so weitgehende Aufteilung des
          arabisch-islamischen Weltreiches in selbständige
          Einzelgebiete führte zu einem fortdauernden
          Kriege aller gegen alle. Es ist der nimmer
          rastende Kampf der Bestien in Menschengestalt um die
          gewonnene Beute, über welchen der
          Geschichtsschreiber für diese Epoche zu berichten
          hat. All jene traurigen
          Entwicklungserscheinungen, welche wir bei der
          Auflösung des Weltreiches kennen gelernt haben,
          wiederholen sich jetzt in den Einzelreichen
          in kleineren Verhältnissen und deshalb oft in noch
          abstossenderen Formen. Wo ein kräftigerer Haudegen
          mit etwas zuverlässigeren Truppen die Regierung
          führt, fällt er über seine Nachbarn her,
          um ihre Besitzungen als gute Beute zu erwerben. Die
          Eroberungen bringen ein grösseres Einkommen und
          damit einen größeren Luxus des Herrschers, der
          bald kein Mass mehr zu halten weiß. Um die
          Staatskasse zu füllen, greift man zu
          Vermögenskonfiskationen und Hinrichtungen. Ein
          anderes Recht, als das der Gewalt ist unbekannt. Die
          Sultane nehmen den Kaufleuten ohne Entschädigung
          ihre Ware weg, und zwingen dann die Bevölkerung, die
          Ware  zu möglichst hohen Preisen dem
          Staate wieder abzukaufen. Das nannte man Einführung
          eines Staatsmonopols. Oder der Staat beteiligte sich an
          den Spekulationen einzelner Kaufleute, zu deren
          erfolgreicher Ausführung den Konsumenten
          gegenüber die Machtmittel des Staates zur
          Verfügung gestellt wurden. Auch die Minister haben
          wieder wie die Raben gestohlen, wurden dafür
          allerdings auch wie die Raben behandelt. Von dem 5.
          Nachfolger des Sultan Beibars in Aegypten berichtet
          hierzu der Chronist wörtlich:
          „Sultan Nassir (1293—1294 n.
          Chr.) mästete seine Emire, bis sie recht fett
          waren, dann schlachtete er sie und alles von ihnen
          Verschlungene kehrte zu ihm wieder
          zurück.“ Mit der wachsenden
          Unzufriedenheit der Untertanen greift auch in den
          Einzelstaaten der Herrscher zu fremden Soldtruppen,
          welche das Land noch mehr bedrücken und sich rasch
          zu echten Prätorianern entwickeln. Das alles dauert
          so lange, bis ein Stärkerer sich das betreffende
          Land aneignet.
 zu möglichst hohen Preisen dem
          Staate wieder abzukaufen. Das nannte man Einführung
          eines Staatsmonopols. Oder der Staat beteiligte sich an
          den Spekulationen einzelner Kaufleute, zu deren
          erfolgreicher Ausführung den Konsumenten
          gegenüber die Machtmittel des Staates zur
          Verfügung gestellt wurden. Auch die Minister haben
          wieder wie die Raben gestohlen, wurden dafür
          allerdings auch wie die Raben behandelt. Von dem 5.
          Nachfolger des Sultan Beibars in Aegypten berichtet
          hierzu der Chronist wörtlich:
          „Sultan Nassir (1293—1294 n.
          Chr.) mästete seine Emire, bis sie recht fett
          waren, dann schlachtete er sie und alles von ihnen
          Verschlungene kehrte zu ihm wieder
          zurück.“ Mit der wachsenden
          Unzufriedenheit der Untertanen greift auch in den
          Einzelstaaten der Herrscher zu fremden Soldtruppen,
          welche das Land noch mehr bedrücken und sich rasch
          zu echten Prätorianern entwickeln. Das alles dauert
          so lange, bis ein Stärkerer sich das betreffende
          Land aneignet.
          Wesentlich erhöht wird diese fast endlose Zahl
          der Raub- und Bürgerkriege durch die Polygamie
          der Herrscher. Die Mütter der verschiedenen
          Thronkandidaten sind in der Regel Sklavinnen aus den
          verschiedensten und fernsten Ländern. Jede Mutter
          war nur darauf bedacht, daß ihr Sohn Sultan
          würde. Und so führten dann gelegentlich vier
          verschiedene Sultanswitwen jede zu Gunsten ihres Sohnes,
          welche alle unmündige Kinder im Alter von 5 bis 15
          Jahren waren, gegen einander Krieg. Die Klagen über
          die Kebsweiber und die Mischlinge waren denn auch
          ziemlich verbreitet. Da es an einer festen
          Erbfolgeordnung fehlte, kamen die konsequenteren
          osmanischen Türken auf das Abhilfsmittel,
          sämtliche Brüder des nominierten
          Thronkandidaten sofort zu töten. In anderen
          Fällen entwickeln sich zwischen der  Sultanin und ihrem Heerführer
          intimere Verhältnisse, denen dann der Sohn und
          Thronerbe geopfert wird u.s.w.
 Sultanin und ihrem Heerführer
          intimere Verhältnisse, denen dann der Sohn und
          Thronerbe geopfert wird u.s.w.
          Bei dem fortdauernden Kriegszustand hatte die Zucht
          der Soldaten außerordentlich gelitten. Fast
          allgemein war das Militär der Bestechung durch
          den Feind zugänglich. Die Soldaten liefen oft
          mitten in der siegreichen Schlacht auf einmal davon. Oder
          der Sultan sah sich am Tage nach einer siegreichen
          Schlacht auf einmal von seinen Soldaten verlassen. Oder
          die Laune eines mächtigen Emir gab ihm nach einer
          Niederlage den Sieg. So wurde jetzt um
          Königreiche Hazard gespielt und alle
          Augenblicke ein neues Staatswesen aus beliebigen
          Länderfetzen zusammengeschweißt, wenn nicht
          der Dolch der Assassinen plötzlich wieder die besten
          Spielerchancen vernichtete.
          § 52 Mitten in diesen tollen Hexensabbath hinein
          fallen die Kreuzzüge der europäischen
          Christenheit. (1096—1270 n. Chr.)
          Hätten sich dieselben nicht gerade auf
          Jerusalem versteift, das auch den
          Muhammedanern eine heilige Stadt ist, so wären bei
          der gewaltigen Ausdehnung des islamischen Reiches die
          Kreuzzugskriege nicht über den Rahmen
          unbedeutender Grenzstreitigkeiten hinausgegangen.
          Zu einer allgemeineren Einigung der Muslime gegen die
          Kreuzzugsbewegung ist es selbst in Vorderasien nie
          gekommen. Der Chalife in Bagdad schien sogar diese
          Verschärfung des allgemeinen Durcheinander nicht
          ungern zu sehen. War es doch inzwischen ihm möglich
          geworden, ein kleineres weltliches Herrschaftsgebiet
          wieder an sich zu reißen. Dem ersten
          einigermaßen kriegerisch geordneten Angriffe von
          europäischer Seite mußte also Jerusalem
          erliegen. Die dann auf bisher islamischem Boden
          gegründeten christlichen Reiche haben
          freilich die schlechten politischen
          Zustände, welche sie in Vorderasien
          vorgefunden haben, nur zu getreulich
          nachgeahmt. Dem  Vertreter
          der Einheit der christlichen Eroberung, dem Könige
          von Jerusalem, wurden nach Analogie des Chalifats in
          Bagdad nur ganz bescheidene Machtbefugnisse reserviert.
          Die eigentliche weltliche Macht lag hier in den
          Händen der Grafen, wie dort in den Händen der
          Sultane. Und die Herren Raimund, Boemund, Tankret,
          Balduin und wie sie alle heißen, haben sich um
          recht kümmerliche Fetzen Landes herumgeschlagen und
          nicht selten dabei auf Seiten der Ungläubigen gegen
          ihre Glaubensbrüder gekämpft. Nicht minder
          eifrig waren diese christlichen Herren im Kopieren der
          sittlichen und ökonomischen Verderbtheit der
          Muslime. Als deshalb ein Sultan Nurredin
          (1146 bis 1174 n. Chr.) ein streng rechtlicher kluger
          Herrscher sich für die islamische Welt zeigte,
          genügte die Begeisterung, mit welcher die
          gläubigen Muslime diesem Führer folgten, dem
          dann in Saladdin ein würdiger
          Nachfolger erstanden war, um die Kreuzzugsritter aus
          Jerusalem dauernd zu vertreiben. Die europäische
          Kreuzzugsbewegung spielt deshalb in der islamischen
          Geschichte nur eine kleine Rolle.
 Vertreter
          der Einheit der christlichen Eroberung, dem Könige
          von Jerusalem, wurden nach Analogie des Chalifats in
          Bagdad nur ganz bescheidene Machtbefugnisse reserviert.
          Die eigentliche weltliche Macht lag hier in den
          Händen der Grafen, wie dort in den Händen der
          Sultane. Und die Herren Raimund, Boemund, Tankret,
          Balduin und wie sie alle heißen, haben sich um
          recht kümmerliche Fetzen Landes herumgeschlagen und
          nicht selten dabei auf Seiten der Ungläubigen gegen
          ihre Glaubensbrüder gekämpft. Nicht minder
          eifrig waren diese christlichen Herren im Kopieren der
          sittlichen und ökonomischen Verderbtheit der
          Muslime. Als deshalb ein Sultan Nurredin
          (1146 bis 1174 n. Chr.) ein streng rechtlicher kluger
          Herrscher sich für die islamische Welt zeigte,
          genügte die Begeisterung, mit welcher die
          gläubigen Muslime diesem Führer folgten, dem
          dann in Saladdin ein würdiger
          Nachfolger erstanden war, um die Kreuzzugsritter aus
          Jerusalem dauernd zu vertreiben. Die europäische
          Kreuzzugsbewegung spielt deshalb in der islamischen
          Geschichte nur eine kleine Rolle.
          § 53. Auch das arabisch-islamische Weltreich ist
          an seinem Reichtume und an seinen
          eigenen Fehlern zu Grunde gegangen.
          Die ungeheuren Werte, welche die Raubzüge und die
          ihnen folgende systematische Ausplünderung der
          unterjochten Völker durch Jahrhunderte in den
          Händen der islamischen Herrscher vereinigt haben,
          hatten sich längst zu fabelhaften Märchen
           verdichtet, die ihren Weg selbst durch
          den ganzen weiten Kontinent von Asien gefunden hatten.
          Nicht minder war gewiß all denen, die sich
          hierfür interessierten, bekannt geworden, daß
          das einst so gewaltige Herrschaftsgebiet der Araber mit
          den fabelhaften Reichtümern sich in einige Dutzend
          Räuberdynastien aufgelöst hatte, und deshalb
          innerlich viel zu schwach geworden war, um einem
          energischen Ansturm widerstehen  zu
          können. Das alles mußte in der ganzen Welt die
          Eroberungslust anreizen, die zu Beginn der Kreuzzüge
          deutlich genug aus der geschäftigen Bereitwilligkeit
          der Normannen und der führenden italienischen
          Handelsstaaten hervorgetreten ist. Für
          Eroberer mit islamischem Glauben lag es
          besonders nahe, die wichtige Lehre aus der
          Gründungsgeschichte des arabisch-islamischen Reiches
          nicht außer acht zu lassen und die
          religiöse Begeisterung ihrem Unternehmen zu
          sichern. So wurden auch diese
          Eroberungskriege zu
          Religionskriegen.
 zu
          können. Das alles mußte in der ganzen Welt die
          Eroberungslust anreizen, die zu Beginn der Kreuzzüge
          deutlich genug aus der geschäftigen Bereitwilligkeit
          der Normannen und der führenden italienischen
          Handelsstaaten hervorgetreten ist. Für
          Eroberer mit islamischem Glauben lag es
          besonders nahe, die wichtige Lehre aus der
          Gründungsgeschichte des arabisch-islamischen Reiches
          nicht außer acht zu lassen und die
          religiöse Begeisterung ihrem Unternehmen zu
          sichern. So wurden auch diese
          Eroberungskriege zu
          Religionskriegen.
          Zunächst überschwemmten von 933 n. Chr. ab
          die Türken jenseits des Oxus in zwei
          großen Wogen Westasien, Südeuropa und Indien.
          Ihr erster Ansturm war vorgeblich der
          Vernichtung der ketzerischen ismaelitischen
          Propaganda in Persien gewidmet. Aber nur
          vereinzelt ist aus diesen Türken etwas Besseres
          geworden als Reiter und Kopfabschneider. Zweihundert
          Jahre lang wurden ihre Züge durch Menschenleichen,
          verbrannte Dörfer und Städte bezeichnet. Ueber
          Nordafrika und Spanien verbreiteten sich im XI. und XII.
          Jahrhundert die sich ablösenden
          Plünderungshorden der fanatischen
          Almoraviden und Almohaden,
          welch letztere von einem der größten
          Schwindler organisiert worden waren. Mit dem XIII.
          Jahrhundert endlich heben jene furchtbaren
          Mongolenstürme an, deren Geschichte
          die Todeskunde des Islam und der
          Muslime bedeutet.
          § 54. Als der große Mongolenherrscher
          Dschingis-Chan auf seinem Eroberungszuge
          (1216—1223 n. Chr.) in die Nähe des ersten
          Grenzstaates des islamischen Reiches kam, schickte er dem
          regierenden Sultan einen Brief, welcher lautete:
          „Ich betrachte Dich als meinen liebsten Sohn und
          werde Dich in nächster Zeit besuchen.“ In
          einfaches Deutsch übertragen, bedeutete das: Ich
          betrachte Dich als meinen Vasall und wenn Du nicht
           damit einverstanden bist, dann hast
          Du Dich auf Leben und Tod zu verteidigen.
          Dschingis-Chan nannte sich selbst „Gottes
          Geißel“, wie einst sein Vorgänger
          Attila. Er war vorgeblich
          gekommen, um im Auftrage Gottes die Menschen für
          ihre schweren Sünden schwer zu bestrafen. Eine mehr
          nüchterne historische Auffassung wird aber zugeben
          müssen, daß auch einen Dschingis-Chan die
          Sünden der Menschen in fremden Staaten nicht zu
          einem militärischen Eingreifen gereizt hätten,
          wenn diese sündigen Menschen arm
          gewesen wären. Er ließ Herat
          zerstören und alle Menschen, deren man habhaft
          wurde, ermorden. Nachdem das Heer schon einige
          Tagesreisen von den brennenden Ruinen entfernt war, kam
          man auf den Einfall, umzukehren und nachzusehen, ob sich
          nicht doch wieder Menschen eingefunden hätten.
          Richtig faßte man 2 bis 3000 ab, die abermals
          hingeschlachtet wurden. Von den vorher 100'000 Einwohnern
          von Herat waren noch 16 übrig geblieben, die sich
          auf unzugängliche Felsen gerettet hatten. Als in der
          Stadt Merw alles zerstört und gemordet
          war, kam man auf den Gedanken, von der Moschee den
          Gebetruf erschallen zu lassen. Wirklich fanden sich
          darauf die Uebriggebliebenen zum Gebete zusammen, um den
          Tod zu finden. So wurden auch Buchara, Samarkand,
          Chiwa und Balch erobert. Zehntausende
          hat man als Gefangene zur Schanzarbeit vor den belagerten
          Städten gezwungen, wo sie den Pfeilen und
          Wurfspeeren der Belagerten zum Opfer fielen, wenn sie
          nicht schon vorher an Entbehrungen zu Grunde gegangen
          waren. Frauen, Kinder und Handwerker schleppte man mit
          den eroberten Schätzen tief nach Asien hinein. Was
          Dschingis-Chan zurückließ, war eine
          Wüste, wo vorher auf hoch kultiviertem Lande
          Millionen fleißiger Menschen sich betätigten.
          Eine furchtbare Panik vor den Mongolen hatte sich der
          Bevölkerung allgemein bemächtigt.
 damit einverstanden bist, dann hast
          Du Dich auf Leben und Tod zu verteidigen.
          Dschingis-Chan nannte sich selbst „Gottes
          Geißel“, wie einst sein Vorgänger
          Attila. Er war vorgeblich
          gekommen, um im Auftrage Gottes die Menschen für
          ihre schweren Sünden schwer zu bestrafen. Eine mehr
          nüchterne historische Auffassung wird aber zugeben
          müssen, daß auch einen Dschingis-Chan die
          Sünden der Menschen in fremden Staaten nicht zu
          einem militärischen Eingreifen gereizt hätten,
          wenn diese sündigen Menschen arm
          gewesen wären. Er ließ Herat
          zerstören und alle Menschen, deren man habhaft
          wurde, ermorden. Nachdem das Heer schon einige
          Tagesreisen von den brennenden Ruinen entfernt war, kam
          man auf den Einfall, umzukehren und nachzusehen, ob sich
          nicht doch wieder Menschen eingefunden hätten.
          Richtig faßte man 2 bis 3000 ab, die abermals
          hingeschlachtet wurden. Von den vorher 100'000 Einwohnern
          von Herat waren noch 16 übrig geblieben, die sich
          auf unzugängliche Felsen gerettet hatten. Als in der
          Stadt Merw alles zerstört und gemordet
          war, kam man auf den Gedanken, von der Moschee den
          Gebetruf erschallen zu lassen. Wirklich fanden sich
          darauf die Uebriggebliebenen zum Gebete zusammen, um den
          Tod zu finden. So wurden auch Buchara, Samarkand,
          Chiwa und Balch erobert. Zehntausende
          hat man als Gefangene zur Schanzarbeit vor den belagerten
          Städten gezwungen, wo sie den Pfeilen und
          Wurfspeeren der Belagerten zum Opfer fielen, wenn sie
          nicht schon vorher an Entbehrungen zu Grunde gegangen
          waren. Frauen, Kinder und Handwerker schleppte man mit
          den eroberten Schätzen tief nach Asien hinein. Was
          Dschingis-Chan zurückließ, war eine
          Wüste, wo vorher auf hoch kultiviertem Lande
          Millionen fleißiger Menschen sich betätigten.
          Eine furchtbare Panik vor den Mongolen hatte sich der
          Bevölkerung allgemein bemächtigt.
           § 55. Von 1253 bis 1265 n. Chr.
          besuchte ein Enkel des Dschingis-Chan, der
          gewaltige Hulagu die weiter nach Westen gelegenen
          Teile der islamischen Reiche und gründete die
          mongolische Dynastie in Persien. Sein Zug galt
          vorgeblich der Vernichtung der Assassinen,
          welche er konsequent durchführte. Als er in Bagdad
          eingetroffen war, versammelten sich die islamischen
          Fürsten, um ihm Untertänigst zu huldigen. Einer
          dieser Sultane überreichte Hulagu dabei ein Paar
          kostbare Pantoffeln, auf deren Sohlen das Bildnis des
          Sultans kunstvoll eingestickt war, mit den Worten:
          „Es ist die Hoffnung des Sklaven, daß der
          Padischah mit seinem segenspendenden Fuße den
          Sklaven erhöhen möge.“ Der Chalife wurde
          in seinem Palaste besucht und aufgefordert seine
          Gäste in würdiger Weise zu bewirten. Nachdem er
          all seine Schätze ausgeliefert hatte, wurde er
          ergriffen und mit seiner ganzen Familie hingerichtet.
          Das Chalifat der Abbasiden in Bagdad erreichte so
          mit dem 38. Chalifen sein Ende.
 § 55. Von 1253 bis 1265 n. Chr.
          besuchte ein Enkel des Dschingis-Chan, der
          gewaltige Hulagu die weiter nach Westen gelegenen
          Teile der islamischen Reiche und gründete die
          mongolische Dynastie in Persien. Sein Zug galt
          vorgeblich der Vernichtung der Assassinen,
          welche er konsequent durchführte. Als er in Bagdad
          eingetroffen war, versammelten sich die islamischen
          Fürsten, um ihm Untertänigst zu huldigen. Einer
          dieser Sultane überreichte Hulagu dabei ein Paar
          kostbare Pantoffeln, auf deren Sohlen das Bildnis des
          Sultans kunstvoll eingestickt war, mit den Worten:
          „Es ist die Hoffnung des Sklaven, daß der
          Padischah mit seinem segenspendenden Fuße den
          Sklaven erhöhen möge.“ Der Chalife wurde
          in seinem Palaste besucht und aufgefordert seine
          Gäste in würdiger Weise zu bewirten. Nachdem er
          all seine Schätze ausgeliefert hatte, wurde er
          ergriffen und mit seiner ganzen Familie hingerichtet.
          Das Chalifat der Abbasiden in Bagdad erreichte so
          mit dem 38. Chalifen sein Ende.
          § 56. Was Dschingis-Chan und Hulagu noch
          übrig gelassen hatten, holte in den Jahren 1380 bis
          1405 der eiserne Timur-Leng. Mit ihm war ein
          Mann ins Land gekommen, dessen Name wie der jenes
          Königs von Assur: Raubebald Eilebeute lautete. Timur
          bedeutet „Eisen“, leng „lahm“,
          der große Organisator der Siege hinkte. Sein
          Wahlspruch auf seinem Ringe eingegraben: rústi
          rasti muß sinngemäß mit
          „Gewaltrecht“ übersetzt
          werden. Man ersieht aus all dem: Dieser Mongole war
          seiner historischen Rolle als „Expropriateur der
          Expropriateure“ sich klar bewußt. Sein
          Auftreten bedeutet die Vollendung des Ruins der
          islamischen Länder. Eine seiner Liebhabereien
          bestand darin, nach der Eroberung großer
          Städte aus ganzen Menschenleibern und
          Menschenköpfen Pyramiden bauen zu lassen.
          Gelegentlich benutzte er einmal ca. 2000 lebende Menschen
          als Baumaterial  zwischen
          Stein und Mörtel. Auch Timur-Leng war ein Vertreter
          der orthodoxen Richtung. Seine Eroberungen
          erstreckten sich von der chinesischen Mauer bis nach
          Moskau, südwestlich bis zur kleinasiatischen
          Meeresküste und nach Aegypten, südöstlich
          bis zum Indus und zur Mündung des Ganges. Nach
          Timur-Leng herrschte in den arabisch-islamischen Reichen,
          die er durchzogen, die Ruhe des Kirchhofs. Die
          muhammedanische Geschichte ist von nun ab eine Geschichte
          der Türken.
 zwischen
          Stein und Mörtel. Auch Timur-Leng war ein Vertreter
          der orthodoxen Richtung. Seine Eroberungen
          erstreckten sich von der chinesischen Mauer bis nach
          Moskau, südwestlich bis zur kleinasiatischen
          Meeresküste und nach Aegypten, südöstlich
          bis zum Indus und zur Mündung des Ganges. Nach
          Timur-Leng herrschte in den arabisch-islamischen Reichen,
          die er durchzogen, die Ruhe des Kirchhofs. Die
          muhammedanische Geschichte ist von nun ab eine Geschichte
          der Türken.
          § 57. Der große einheitliche
          Zug, welcher die Entwicklungsgeschichte des
          arabisch-islamischen Weltreiches beherrscht, bildet den
          eigentlichen Inhalt des ökonomischen Gesetzes
          von der Expropriation der Expropriateure.
          Zu Anfang sehen wir das Volk der Araber als
          Räuberhorde organisiert, um möglichst
          viele Völker zu erobern und auszuplündern. Das
          Volk der Araber wird dann in dem dadurch gewonnenen
          Einkommen expropriiert durch den Chalifen.
          Die ersten Beamten und die geschickten
          Unternehmer, welche sich an dem Raub des
          Chalifen beteiligten, werden, wenn sie genügend
          Reichtum zusammengescharrt haben, wieder
          expropriiert durch den Chalifen. Der damit
          wachsenden Verfeindung mit dem Volke sucht der Fürst
          der Gläubigen durch Einstellung fremder Soldtruppen
          zu begegnen, die sich jedoch rasch in die Rolle der
          Prätorianer finden und als solche mit
          der Expropriation des Chalifen beginnen, die
          durch die selbständig gewordenen Statthalter
          vollendet wird. Das damit eingeleitete allgemeine
          Hazardieren um Königreiche weckt den
          Türken- und Mongolensturm
          und führt damit zur Expropriation aller bisher
          zusammengeraubten Schätze.